Samstag, 24. Juli 2010

Weich gepolstert


Polsternägel, Knöpfe, Borten, Posamenten, Leder, Sprungfedern, aber auch Lockenwickler, Wattestäbchen und Nudeln sind die Materialien von Marianne Cressons Textilskulpturen, die zur Zeit im Institut français in Berlin ausgestellt werden. Marianne Cresson ist von Haus aus Polsterin und verwendet die traditionellen Techniken ihres Berufes, um ganz und gar zweckfreie, dekorative bis surreale gepolsterte Objekte herzustellen - Fische und Monde, weibliche Torsi und Gesichter.

Überraschend und interessant ist vor allem der Einsatz der Materialien. Aus verwebten dekorativen Borten entsteht ein neuer Stoff, ein alter Pelz wird mit der Lederseite nach außen gekehrt, so dass die Kürschnernähte wie eine Holzmaserung sichtbar werden und ein Gesicht strukturieren, Knöpfe werden zu Fischschuppen und Jutesäcke zu afrikanisch anmutenden Masken.


Die kleine Ausstellung läuft noch bis zum 31. Juli, geöffnet ist Montag bis Samstag, fünf Objekte hängen in den Räumen der Bibliothek/Mediathek im ersten Stock, die etwas abweichende Öffnungszeiten hat, siehe hier.

Ausstellung Evers singulier von Marianne Cresson
bis 31. Juli 2010

Institut français
Kurfürstendamm 211

Haltestelle: Uhlandstraße (U2)

Sonntag, 18. Juli 2010

Im grünen Bereich


Na wer sagt's denn! Bei diesem Schnitt - 110 aus Burda 4/2009 - war ich zunächst viel skeptischer, was die Passform betrifft, als bei dem Ganzkörper-Faltenmodell vom letzten Mal, aber siehe da: es funktioniert weitaus besser. Das Material ist ein flutschiger, schwerer Viskosejersey vom Maybachmarkt, damit fallen die ganzen Falten im Unterbrustbereich schön schmal. (An der Hüfte vorne hätte ich es für das Foto noch einmal richtig hinzupfen müssen - das Bild zeigt also den Zustand nach einem halben Tag tragen.)



Das Mittelstück zwischen den Raffungen habe ich um gut einen Zentimeter verschmälert und mit einigen Perlen bestickt - sollte ich den Schnitt noch einmal nähen, würde ich es mit nicht-elastischer Einlage verstärken. Die Anleitung sieht an dieser Stelle gar keine Verstärkungen vor, bei Baumwolljersey mit größerem Ausleierfaktor könnte das fatal werden.


Das Nähen von solchem Flutschjersey mit meiner etwas grobschlächtigen mechanischen Nähmaschine habe ich mittlerweile ganz gut raus. Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass es genau so aussehen soll, wie ein gekauftes Teil aus Jersey. Das geht ohne Over- und Coverlock einfach nicht, muss aber kein Nachteil sein.

Wenn ich da mal mit Tipps um mich werfen darf:

- Eine Nadel speziell für Jersey ist essentiell, alle anderen verursachen Löcher. Ich markiere die Jerseynadeln gleich nach dem Kauf mit einem Klacks Nagellack am Schaft, denn mit bloßem Auge kann man sie kaum von den anderen unterscheiden.

- Stecknadeln können ebenso Löcher verursachen. Vom Hörensagen weiß ich, dass es sogar spezielle Jerseystecknadeln geben soll. Die habe ich auch nicht, ich stecke vorsichtig mit dünnen Stecknadeln und nur auf der Nahtzugabe.

- Zum Zusammennähen verwende ich einen mittelbreiten Zickzackstich.

- Säume kann man mit einer Zwillingsnadel festnähen, wenn das die eigene Maschine mitmacht. Meine ist gerade in Kombination mit Jersey ausgesprochen bockig - die Fadenführung bis zur Nadel ist nicht so sonderlich ausgeklügelt, die linke Nadel lässt häufig Stiche aus, das Garn reißt.
Mit untergelegtem Seidenpapier beim Nähen oder auswaschbarem Stickvlies lässt sich meistens noch etwas retten, auch wenn das Säumen dadurch oft länger dauert, als das Nähen des Shirts an sich.
Mittlerweile verwende ich einfach einen elastischen Stich für die Säume, meistens den Rautenstich - siehe Foto. Für den Saum plane ich gleich eine breite Zugabe ein, so dass das Nähfüßchen und der Transporteur auf einer doppelten Lage Jersey laufen und schneide den überstehenden Stoff erst nach dem Umnähen zurück.


Schnitt: 104 aus Burda 4/2009
Material: dünner, schwer fallender Viskosejersey
Änderungen: Mittelstück zwischen den Raffungen verschmälert, sollte außerdem verstärkt werden

Montag, 12. Juli 2010

Wieviel Neues braucht der Mensch?


Das war es dann mal wieder mit dem Versuch "mal was anderes" zu nähen oder zu tragen. Volumige Schnitte kommen ja von Zeit zu Zeit immer wieder, und obwohl mir die ganze Richtung vom Konzept her gut gefällt, stelle ich meistens dann doch fest, dass körpernähere Schnitte an mir besser aussehen. Ist das eine Frage des Alters, ist meine modische Sozialisation so weit abgeschlossen, dass ich neue Formen nur noch theoretisch gut finden kann? Weil ein bestimmtes Körperbild eingelernt ist, und das Neue zu sehr davon abweicht? Ist das nun der viel beschworene "eigene Stil", oder ist es schon Erstarrung?

Das Oberteil ist der Schnitt 114 aus Burda 8/2009, genäht aus dunkelblauem Interlock vom Maybachmarkt. Die interessante Fältelung im Vorderteil wird von einem schmaleren Futter in Form gehalten, ich habe das Futter hier auch aus Jersey zugeschnitten und konnte mir daher den eigentlich vorgesehenen Reißverschluss sparen.


Hier auf dem Bild ist es schon etwas stärker tailliert als vorgesehen - das kann aber besonders in der Seitenansicht auch nicht viel an dem unvorteilhaften Eindruck ändern. Wobei die modischen Raffungen und Falten an dünnen Berlinmittemädchen mit breiten Schultern und wenig Oberweite durchaus gut aussehen, die tragen dann Leggings oder sehr kurze Röcke dazu, und alles ist gut.

In hingegen fühle mich etwas unförmig, ja konturlos, und ehe ich Obelix' trotzig-beleidigten Ausspruch "Ich bin nicht dick, ich bin nur dick angezogen!" umändere in "... ich trage nur ein sackartiges, aber gerade deswegen total modisches Oberteil!" ändere ich lieber das Shirt.


Schnitt: 114 aus Burda 8/2209
Material: Interlock

Samstag, 10. Juli 2010

Vuvuzela (X)


Vuvuzela ist schon jetzt mein neues Wort des Jahres 2010. Und ob wir nächstes Jahr noch wissen werden, was das ist, und dass die Diskussion um den Vuvuzela-Lärm am Anfang sogar wichtiger war als die WM-Spiele? Oder wird die Vuvuzela nach der Weltmeisterschaft in unseren ständigen Wortschatz eingehen - "du schnarchst wie eine Vuvuzela!" - "Nebenan war gestern ein Kindergeburstag mit Vuvuzelas, ich war vielleicht genervt!" - "Es ist so heiß heute, der Lüfter des Laptops hört sich schon wie eine Vuvuzela an, hoffentlich raucht er nicht ab."


Wie auch immer, falls ich in zehn Jahren zufällig eine brüchige Plastiktröte in der Garage finde, und mich nur noch dunkel erinnere, dass man die Dinger um das Jahr 2010 herum hatte aber nicht mehr weiß, wie das heißt, dann muss ich jetzt nur noch auf meiner Stickdecke nachschauen.

Die blau-braune Borte ist die 10. Stickaufabe der Stickamazonen. Meine Version sieht diesmal ziemlich anders aus, als die Stickergebnisse - beim gekreuzten Langettenstich (crossed buttonhole stitch) muss man sehr auf Gleichmäßigkeit und auf die Ausrichtung achten, das finde ich ziemlich schwierig, und die Struktur dieser ganzen Stichkombination war mir nicht klar. Kurz: ich fand es ziemlich kompliziert. Was mit "Wicklung" bzw. "wrapping" gemeint war, habe ich auch noch nicht herausgefunden - der Wickelstich, den ich genommen hatte, war es offenbar nicht.


Aber macht nichts. Jetzt muss ich mich erstmal für heute Abend warmtröten*), und ich hoffe ja sehr, dass die deutsche Mannschaft beim Spiel um den dritten Platz nicht wieder auftritt, als wäre sie über Nacht von den Körperfressern ausgetauscht worden.

*) Keine Angst, in Wirklichkeit tröte ich gar nicht. Aber ich würde manchmal gerne. Muss mir Montag noch eine Vuvuzela kaufen, falls es die später nicht mehr gibt.

Sonntag, 4. Juli 2010

Berlin Fashion Week für alle


Nächste Woche ist wieder Berliner Modewoche! Die Berlin Fashion Week spielt zwar noch immer nicht in einer Liga mit Paris oder New York, wie das ursprünglich angedacht war (sei größenwahnsinnig, sei Berlin), dafür gibt es aber viele Modeveranstaltungen, die für jeden zugänglich sind.

Eine kleine Auflistung ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
  • Die Schauen des Showfloor Berlin am 7., 8. und 9. Juli im Umspannwerk in der Ohlauer Straße in Kreuzberg sind öffentlich, Anmeldung per e-mail auf der Webseite unter "Tickets", hier. Die auftretenden Labels bezeichnen sich als "Green Avantgarde" - zu erwarten ist tragbare, "grüne", aber trotzdem luxuriöse Mode, laut Pressetext "von führenden grünen Labels aus dem In- und Ausland. Ihre Kollektionen auf dem Laufsteg präsentieren unter anderen die grünen Labels Bllack NOIR aus Kopenhagen, KAMI organic aus Paris, Ainokainen aus Helsinki, "Göttin des Glücks" aus Wien und Julia Starp aus Hamburg. Außerdem zeigen Anett Röstel (Berlin), Stefan Reinberger (Berlin), Ellen Eisemann (Berlin), Andreas Trommler (Leipzig) und Nora Fritz (Potsdam)."
  • Auch bei der Messe THEKEY.TO geht es um Nachhaltigkeit und grüne Mode, mit einem Seitenblick auf Design und Kunst, es präsentieren sich Marken als "Wegweiser einer Ära, in der Coolness, Qualität und der Sinn für Verantwortung auf natürliche Weise einhergehen." Vom 8. bis 10. Juli ist der THEKEY.TO SUPERSHOP auf dem Gelände des Postbahnhof für alle geöffnet. Neben Mode, Design und Naturkosmetik gibt es dort Do-it-Yourself-Wokshops, unter anderem einen Schmuckworkshop vom Bastelsalon La Bastellerie, und am 10. Juli ist Publikumstag auf der gesamten Messe.
  • Die Ausstellung DYSFASHIONAL läuft bis zum 17. Juli im Haus der Kulturen der Welt. Die beteiligten Designer und Künstler, unter anderem Raf Simons, Antonio Marras, Maison Martin Margiela und Hussein Chalayan, um nur die bekanntesten zu nennen, "zeigen Installationen, die ihr kreatives Universum und ihre künstlerische Herangehensweise reflektieren und reizen dabei die Grenzen von Mode und Kunst aus."
    Die Ausstellung ist jeweils Mittwoch bis Montag von 11 bis 19.00 Uhr geöffnet, Eintritt 5 bzw. 3 Euro.
  • Ebenfalls im Haus der Kulturen der Welt präsentieren sich am 6. und 7. Juli Studierende der ESMOD Berlin und am 9. bis 11. Juli Studierende der Kunsthochschule Berlin-Weißensee mit Ausstellungen und Modeschauen. Das Programm der Veranstaltungsreihe Mode macht Schule findet sich hier, auch für den Herbst sind schon Veranstaltungen geplant.
  • Die Showroom-Meile findet vom 7. bis zum 11. Juli statt. Die Informationen, was genau an den verschiedenen Orten in Berlin Mitte zu sehen ist, sind auf der Webseite etwas spärlich, häufig handelt es sich um Designershowrooms und -ateliers, und man kann im allgemeinen nicht nur gucken, sondern auch kaufen.
  • Das Wedding Dress-Festival ist mittlerweile schon eine etablierte Veranstaltung. Am Wochenende vom 10./11. Juli gibts in der Brunnenstraße sowohl unter freiem Himmel zwischen Bernauer Straße und Demminer Straße als auch in den angrenzenden Läden vor allem Mode von jungen Berliner Designern zu sehen und zu kaufen. Dazu Lifemusik, Djs und Fressstände - Modewoche mit Volksfestcharakter, sozusagen.

Freitag, 2. Juli 2010

Bus fahren (IX)

Öffentliche Verkehrsmittel in großer Sommerhitze sind ja immer so eine Sache. Alle schwitzen, alle sind gestresst, und dass manche kaum angezogen sind, trägt irgendwie nicht gerade zur Entspannung bei.

Sollte ich eine Rangfolge der Berliner Verkehrsmittel aufstellen, dann liefe die Straßenbahn, eine überhitzte rollende Sardinenbüchse, unter "unbedingt vermeiden" - ich denke da zum Beispiel an die immer überfüllte M2 vom Alexanderplatz die Prenzlauer Allee hinauf. Bei der S-Bahn gibt es meistensteils Fahrtwind, das ist gut. Die U-Bahn ist vor allem muffig wie immer, was im Sommer nur besonders auffällt.

Der eindeutig beste Ort, um von A nach B zu kommen, ist aber im Moment das wunderbar klimatisierte Oberdeck eines Doppeldeckerbusses. Bellende Hunde und plärrende Kinder bleiben im Untergeschoss, und man kann entspannt und angenehm heruntergekühlt in der Höhe des ersten Stockwerks anderen Leuten auf den Balkon schauen oder Autofahrer bei waghalsigen Einfädelmanövern beobachten. In der ersten Reihe sitzen meistens begeisterte Kinder und ebenso begeisterte Väter, und so mancher gestandene Buspassagier springt auf und hastet nach vorne, wenn dort ein Platz frei wird.

Alles kein Vergleich zu den Bussen, wie ich sie früher, vor Berlin, kannte! Da ich am ländlichen Rand einer norddeutschen Großstadt aufgewachsen bin, war Bus fahren die Qual meiner Jugendjahre: Der Bus fuhr selten, er bewegte sich in einem absurden Zickzackkurs dem Ziel entgegen, um möglichst viele Haltestellen abzudecken, er brauchte für die Strecke daher dreimal so lange wie nötig und er fuhr nicht mehr nach 23.00 Uhr. Dass Bus fahren angenehm und praktisch sein kann, habe ich erst in Berlin entdeckt. Wobei ich ehrlicherweise sagen muss, dass das Wort "kann" dort nicht aus Zufall steht. Im M41 (ein Gelenkbus, daher kein Oberdeck) kurz nach Ladenschluss vom Potsdamer Platz zum Hermannplatz ist auch und gerade hier kein Vergnügen - ich sage nur: bellende Hunde, plärrende Kinder, aggressive und/oder gestresste Mitfahrer, dazu noch der eine oder andere berlintypische Bekloppte - aber das ist schon eine ganz andere Geschichte...


Die Stickaufgabe 9 der Stickamazonen ist hier gut versteckt: Mit dem baskischen Knoten oder Palästrinastich stickte ich die beiden grünen Umrandungen, um den Stich überhaupt erst einmal auszuprobieren. Weitere Stickergebnisse mit dem Palästrinastich sieht man hier. Für die Flächenfüllung verwendete ich diesmal den Kettenstich, das ist erheblich einfacher zu arbeiten als Plattstiche und die Stickerei wird nicht so dick und schwer.