Einen längeren Beitrag über die Tücken der Origamibluse hatte ich ja schon angedroht, als ich sie an einem Me-made-Mittwoch vorstellte, dann kam einiges dazwischen, und falls inzwischen jemand gehofft haben sollte, von länglichen Monologen über ein Schnittmuster, das keiner kennt, verschont zu bleiben – Pech gehabt. Zwar passen die deutschsprachigen Käuferinnen des Buchs twinkle sews vermutlich in mein Wohnzimmer – aber wir befinden uns hier ja nicht umsonst in einem Nischenmedium. Und falls ihr die Origami-Idee prinzipiell gut findet, euch die Bluse aber lieber sparen würdet: kein Problem, unter unten Punkt 6 sieht man, wie das gemacht wird, ganz einfach nämlich, und das Prinzip ist auf jedes beliebige Oberteil übertragbar.
Prolog
Die Origami-Bluse ist im Grunde kein besonders schwieriger Schnitt. Nähtechnisch kann ihn jeder bewältigen, der einigermaßen präzise geradeaus, um die Ecke und um die Kurve nähen kann. Die Schnittform ist passformunsensibel, soll locker fallen, daher sind figurbedingte Änderungen nicht nötig, solange die Oberweite hineinpasst. Der Teufel steckt in der rudimentären Anleitung, die teilweise umständliche Verarbeitungsweisen vorschlägt, teils nur auf die Detailfotos im Buch verweist und teils einfach unvollständig ist. Deshalb also hier die kniffeligsten Stellen - mit feundlicher Unterstützung von Nähfreundin Wiebke (mit dem beeindruckenden dezentralisierten Stofflager), von der einige der Kniffelstellen-Umschiffungen stammen.
1. Schnittmuster und Größe
Vor das Nähen hat Twinkle das Drucken und Kleben gesetzt. Der Schnitt kommt auf verhältnismäßig überschaubare 28 Seiten. Der Ärmel muss selbstverständlich zwei Mal zugeschnitten werden, das Schnitteil für einen Schrägstreifen braucht man nicht, je nachdem welche Ausschnittversäuberung man wählt, misst man besser das halbfertige Teil aus und schneidet sich nach diesem Maß die Schrägstreifen zu.
Eine Bluse Größe 8 hat einen Brustumfang von ca. 104cm (Falten glattgezogen), die Saumweite sind 126cm, die Blusenlänge (Schulter bis Saum) ca. 60cm.
2. Material
Einen Meter leichter Stoff, hier ist es schwarz-blau-karierter Baumwollvoile von Stoff+Stil. Für den Einsatz und das Bindeband dunkelblauer Jersey, wie die Anleitung vorschlägt. Wiebke verwendete für den Einsatz den gleichen zarten grauen Webstoff wie für die Bluse, als Bindeband nähte sie ein längs gestreiftes Webband per Hand an die Ausschnittkante - definitiv die bessere Idee, denn mein verstürztes Jerseyband ist ziemlich knubbelig. Die Origamiteile sind bei mir ebenfalls aus dem Blusenstoff, Wiebke ließ sie weg und hat trotzdem eine nicht alltägliche Bluse, Au Café couture nahm einen Kontraststoff. Frifris schlug im Kommentar zweifarbige Origamiteile vor – gute Idee, mehr dazu unter Punkt 6.
Links: gesteppte Falten von der Innenseite gesehen, rechts von außen |
3. Ärmel
Die Falten an der Oberkante der Ärmel sollen ein Stück zugesteppt werden. Richtet man sich stur nach den Markierungen auf den Schnitteil, erhält man insgesamt 10 Falten pro Ärmel – je vier große und eine kleine auf der Vorder- bzw. Rückseite.
Rechts: Gummiband gedehnt mit Zickzack auf die Saumzugabe genäht, Ärmelnaht geschlossen. Links: Saumzugabe nach innen gefaltet und festgesteckt |
Links: Saumzugabe festgesteppt von innen - und rechts Ärmel von außen |
Am Ärmelsaum wird ein Gummiband mit Zickzack gedehnt auf die Saumzugabe genäht und am besten erst danach die Ärmelnaht geschlossen. Die Saumzugabe doppelt nach innen einschlagen und festnähen. Es entsteht ein Ballonärmel, bei dem das Gummiband außen nicht sichtbar ist.
4. Ausschnittverarbeitung
Die Anleitung schlägt vor, die Falten in Vorder- und Rückenteil und in den Ärmeln einzulegen und die Ausschnittkanten (zwei am Vorderteil rechts und links vom Schlitz, und die Kante am Rückenteil) einzeln mit Schrägstreifen einzufassen. Anschließend sollen die Ärmel mit Vorder- und Rückenteilen verbunden werden, wobei zwei bis drei Zentimeter vom Ärmel an Ausschnitt überstehen, die nach innen geklappt und „unsichtbar“ per Hand festgenäht werden sollen - umständlich und nicht besonders schön. Wiebke nähte deshalb erst die Ärmel mit den Blusenteilen zusammen und fasste dann die ganze Ausschnittkante in einem Rutsch mit einem Schrägstreifen ein.
Einsatz: Außenteil ins Blusenvorderteil gesteppt, man sieht die linke Seite |
5. Einsatz
Der Einsatz mit Schlitz umschließt die letzten offenen Kanten am Vorderteil. Ich nähte eine Stütznaht entlang der Nahtlinie, an der man sich beim Stecken und Einnähen super orientieren kann. Das erste Einsatzteil nähte ich rechts auf rechts in die Aussparung im Vorderteil - natürlich Nahtzugaben einschneiden und schön bügeln. Das zweite Einsatzteil kommt rechts auf rechts drauf, es wird entlang des Schlitzes und der oberen Kante gesteppt , eingeschnitten, gebügelt und das Teil nach innen gewendet. Die noch offenen Kanten säumte ich per Hand von innen gegen die Naht, Wiebke steppte diese Kante mit einem kleinen Zickzack ab, und die wahren Virtuosinnen des Absteppens würden den Beleg ganz präzise von der rechten Seite „im Nahtschatten“ feststeppen.
So siehts aus: eines der berühmten Origamiteile |
6. Origamiteile
Die mysteriösen Origamiteile bestehen aus verstürzten Rechtecken, bei denen man zwei Ecken zur Mitte einer langen Seite faltet und bügelt, so dass eine dreieckige Grundfläche mit zwei hochstehenden Zipfeln entsteht.
Origamiteile in Dreiecksform auf den verstürzten Einsatz steppen |
Acht dieser Teile werden auf dem vorher so mühsam verstürzten Einsatz angeordnet und jeweils in Dreicksform festgenäht – die Anordnung ergibt sich aus dem Foto im Buch auf Seite 91, bzw. hier bei mon Cafe couture gibt es auch ein gutes Detailbild. Die vorgegebene Dreiecksgröße ist seltsamerweise breiter als der Einsatz, so dass die Steppnähte teils auf dem Einsatz, teils auf dem Blusenvorderteil liegen – das sieht von innen nicht besonders professionell aus, und beim nächsten Mal würde ich die Origamiteile etwas verkleinern.
Aber so komliziert muss man es sich ja gar nicht machen: Schließlich lässt sich jedes Blusen- oder Shirtvorderteil mit aufgesteppten Origamiteilen aufhübschen – aus dem gleichen oder aus kontrastierendem Stoff, oder sogar zweifarbig, wie Frifris vorgeschlagen hatte, wenn man zwei verschiedenfarbige Rechtecke miteinander verstürzt.
7. Noch Fragen? Falls noch nicht alle kniffeligen Stellen erschöpfend abgehandelt wurden – ich helfe gern, auch später noch, meldet euch dann einfach.
Hm, irgendwie sehe ich diesen Post von Dir als Anstoss.... (ich kann gerade, um die Ecke und auch Kurven nähen!) wo mir doch letzte Woche die Bluse von Wiebke so gefallen hat. Deine gefällt mir auch - besonders das Origami Teil. Danke für die vielen Details.
AntwortenLöschenMit deiner tollen Hilfestellung sollte diese Bluse nun kein Problem mehr sein. Ich bin schon am überlegen, ob ich mir nicht auch das Buch zulegen sollte. Mich schreckt allerdings dieser vielbeschriebene Druckmarathon vom Kauf noch ab.
AntwortenLöschenViele Grüße
Julia
Danke für die detaillierte Beschreibung!
AntwortenLöschenKurzfristig hab ich mir schon überlegt Twinkle sews zu kaufen, nachdem mir die Modelle auf Deinem Blog so gut gefallen haben, aber nun kann ich erkennen: da brauch ich noch ein paar Jährchen Übung, um mir so dermaßen komplizierte Schnitte erarbeiten zu können. Außerdem finde ich "ausdrucken und mit Tesa zusammenpuzzlen" eine Zumutung ...
Die Bluse ist jedoch eine Schau und war die Arbeit wert.
Christel
Liebe Lucy,
AntwortenLöschenwas für eine tolle Bluse!
Vielen Dank, dass du dir die Zeit dafür genommen hast, uns aufs Origami-Boot zu hieven! So eine Bluse würde ich mir auch zu gern nähen - ich hoffe, ich komme bald mal wieder zu so etwas...
Viele liebe Grüße
Katharina
Hallo,
AntwortenLöschenvielen Dank für die ausführliche Beschreibung! Ich werde mir das auf jeden Fall mal merken. Ich finde die Bluse insgesamt sehr schön und diese Origami-Elemente sind ja flexibel auch auf anderen Kleidungsstücken anwendbar. Hach, so viele Ideen (...und zuwenig Zeit)... :) Super erklärt.
Schnittmuster zum Ausdrucken, das ist so gaaar nichts für mich. Und wenn dann auch noch die Beschreibung so holprig ist ... ich persönlich würde ja auch erwarten, dass die Rechtecke dann genauf auf die Blende passen, wenn ich schon einen Schnitt kaufe. Naja, von außen sieht man das ja nicht.
Schönen Sonntag noch,
frifris
Was hast du da für eine tolle Anelitung geschrieben! Da kann sich "das Buch" definitiv eine Scheibe abschneiden. Ich bin auch beeindruckt, wie viele Details du noch von meiner Bluse kennst.....
AntwortenLöschenDas Merkwürdige an dem Schnitt ist, dass die Details einerseits liebevoll ausgetüfftelt sind, andererseits dann die Teile lt. der sehr dürftigen Anleitung "einfach irgendwie" bzw. merkwürdig unausgegoren zusammengefügt werden sollen.
Ich hatte die Origamiteile vor allem deshalb weggelassen, weil mir das Falten und Anbringen (im Buch wird dafür eigentlich nur auf das dafür noch nicht einmal sehr aufschlußreiche Detailfoto verwiesen) zu kompliziert erschien.
Nun -dank deiner Anleitung und deines Fotos- habe ich verstanden, wie das geht und denke, dass ich dieses Detail bestimmt noch einmal einsetzen werde. Dafür ist die Idee mit der zweifarbigen Variante auch reizvoll.
Danke!
LG
Wiebke
Schön ist sie geworden !! Kriegen wir noch ein Tragebild ? Ja die Beschreibungen in dem Buch sind schon sehr gewöhnungsbedürftig und regen zur Eigeninitiave an :-)
AntwortenLöschenWenn ich die Bluse auch irgendwann mal nähen sollte, werde ich mir deine Beschreibung noch mal genau ansehen !
Schönen Sonntag noch
Mit so einer tollen Anleitung muss man (ich meine mich damit) sich das Buch ja fast kaufen....
AntwortenLöschenIch werde es mal auf meine Wunschliste schreiben
LG Rita
Toller Post, vielen Dank! Und danke auch für deinen Kommentar bei mir. Lohnt sich das Buch denn an sich, deiner Meinung nach?
AntwortenLöschen@Eva: die Bluse hatte ich am vorletzten Me-made Mittwoch gezeigt - ist am Anfang im Artikel verlinkt
AntwortenLöschenUnd zur Frage ob sich es lohnt: ja, ich finde schon, denn die Schnitte sind wirklich anders als das, was man von den üblichen Herstellern bekommt, und etwa 20€ für 25 Schnitte ist nun wirklich nicht teuer. Die Bluse ist im Buch als "advanced" gekennzeichnet, die meisten anderen Schnitte sind einfacher, Christel, daher denke ich schon, dass für dich auch auf jeden Fall etwas dabei wäre - die Röcke z. B. sind alle viel einfacher. Es ist halt nicht wie bei einem Fertigschnitt aufbereitet, aber alles durchaus machbar. Katja, gerade an dir, so wie ich dich aus dem Blog kenne, könnte ich mir viele Sachen vorstellen, ich glaube du wärest begeistert.
habt eine schöne Woche!
Lucy
hallo,:)
AntwortenLöschenich war bisher eine stille leserin.:).. aber diese bluse sieht sooooooo toll aus!!! echt total schön:))
grüße,
lotte.:)
Ich finde sowohl deine als auch Wiebkes Version gut. Beide habt ihr ja so gedeckte Stoffe genommen, die zu dem japanischen Stil passen. Blau-schwarz z.B. ist da ja angebracht. Danke auch für den Hinweis auf farbiges Baumwollvoile von S+S, ich hatte bisher nur den naturfarbenen gefunden und wollte mir den schon einfärben. Kleine Tipps mit großer Wirkung.
AntwortenLöschenDie Blise ist echt eine stimmige Sache.
AntwortenLöschenWenn nicht dieser Horror vor dem Ausdrucken (und Zusammenkleben) von so vielen Einzelblättern wäre! Das schreckt mich echt vor dem Kauf des Buches ab.
Aber vielleicht kann man ja die grundsätzliche Origani-Idee auf ein anderes Kleidungsstück übernehmen. Zum Beispiel bei einem Rocksaum, der dann ein bißchen an Schwere gewinnen könnte.
Da hast du dir ja Mühe mit dem Zeigen gemacht. jetzt bin ich ja gespannt wie weit sich das Origamiteil ausbrietet. Die Idee etwas schon Fertiges damit zu bestücken, finde ich sehr reizvoll!!!Und wenn man zwei verschiedenen stoffe zum verstürzen nähme, wäre auch lustig.
AntwortenLöschengefaltetet Grüße von karen