Der Versuchsaufbau: Schnittmusterkarte, Maßband, Papier |
Das Lutterloh-System beruht (übrigens bis heute) auf einem einfachen Vergrößerungsverfahren: winzig kleine Schnittzeichnungen, etwa in Postkartengröße, werden durch das Anlegen eines Maßbandes in angegebener Richtung um ein bestimmtes Maß verlängert, die so ermittelten Punkte hernach verbunden, und schon hat man ein originalgroßes Schnittmuster nach den eigenen Körpermaßen, so zumindest das Versprechen.
Eines schönen Nachmittags trafen wir uns bei Suschna, um mit den Schnitten zu experimentieren. Das „Promenadenkleid“ Nummer 132, das ihr ziemlich viel geduldige Anpassungsarbeit abverlangte, hatte Suschna hier gezeigt. Denselben Schnitt nahm ich mir auch vor – mit Absicht einen schwierigen Fall, denn ich habe eine sehr ausgeprägte Brust-Taille-Differenz, die in dieser Schnittform, einer anliegenden Passe in der Taille mit angekräuseltem oberen Vorderteil, nur schwer unterzubringen ist.
Die Schnittvergrößerung per angelegtem Maßband, an der eigenen Ober- bzw. Hüftweite orientiert wie angegeben, ist grundsätzlich ein ziemlich fehleranfälliges Verfahren, das merkte ich, als ich aus Versehen einige Punkte doppelt ermittelte und auf einmal an einer ganz anderen Stelle herauskam.Kleine Abweichungen beim Anlegen an der Zeichnung führen leicht zu einer Differenz von mehreren Zentimetern. Belege müssen grundsätzlich selbst erstellt werden, für manche Abnäher gibt es nur eine ungefähre Markierung, eine Nähanleitung gibt es auch nicht – für Anfänger ist das nichts.
Sieht gar nicht so schlecht aus |
Die erste Kleidversion erschien nahezu hoffnungslos: das Vorderteil in der Taille an jeder Seite vier bis fünf Zentimeter zu weit und außerdem an den Seitennähten viel länger als das Rückenteil. Oder sollte man für das untere Vorderteil etwa die Taillenweite als Richtwert zum Vergrößern nehmen? Das erschien logisch, auch wenn im Lutterloh-Vorwort immer nur von der Ober- bzw. der Hüftweite die Rede war.
Der Kragen ist der Schwachpunkt |
Ausprobiert und – es passte viel besser. Die Weite stimmte jetzt und die Seitennähte hatten nahezu die gleiche Länge. Würde ich das Mittelteil füttern, die Ausschnittkanten noch etwas verürzen und Ärmel einnähen, wäre das ein tragbares Kleid. Im Moment tendiere ich aber dazu, es nicht fertigzunähen - einmal habe ich den Retrostoff nach der ganzen Änderei schon etwas über, zweitens ist und bleibt der Kragen der Schwachpunkt: Er ist nicht viel mehr als ein angeschnittenes Rechteck mit einem großen, dreieckigen Zipfel und sitzt daher äußerst bescheiden. Ein in der hinteren Mitte eingesetzter Keil brachte etwas Besserung, aber das grundlegende Problem, dass so ein krudes angeschnittenes Ding ohne Kragensteg sich natürlich nicht manierlich umlegt und unbequem sitzt, ließe sich nur mit einer Neukonstruktion lösen.
Und auf die habe ich derzeit keine Lust - meine Neugierde, ob das Lutterloh-System tatsächlich funktioniert, ist ja jetzt befriedigt. Fazit: Schwächen in den Details, aber grundsätzlich eine gute Passform. Wären alte Schnitte meine Passion, ich würde mich mit Lutterloh-Bänden aus verschiedenen Jahrzehnten eindecken. Retro-Expertin Cathérine nähte sich aus dem gleichen Buch übrigens dieses Kleid, Modell 157, und da ist noch viel mehr zu erwarten.
Im Ergebnis aber doch: naja |
Abgesehen davon, dass das Ausprobieren Spaß gemacht hat, ist nichts so schlecht, als dass es nicht noch zu etwas gut wäre: mein Kleid hat innen einen wunderschön versäuberten Beleg - eine für mich neue Technik - und an der Teilungsnaht eine selbstgemachte Paspel. Wie beides gemacht wird, zeige ich demnächst, denn ich hatte mir schon vorher überlegt, eine kleine Blog-Serie mit dem hochtrabenden Namen „Nähgeheimnisse“ zu starten und solche kleinen Tricks und Kniffe zu verraten, die nicht in Büchern stehen.
Naja anpassen sollte man schon jeden Schnitt,sonst würde Selbernähen ja keinen Sinn machen. Wir haben ja nun mal alle unterschiedlichen Größen,Längen und Formen.
AntwortenLöschenIch habe auch schon einiges nach Luterloh genäht und wenn man sich die Mühe macht und den Schnitt genau anpaßt, bekommt man erstklassige Stücke genäht.
Kennst du schon http://www.golden-pattern.online.de/shop/shop.htm
Dort gibst du deine kompletten Maße ein, und kannst dir einen Schnitt ausdrucken, es gibt viele Variationsmöglichkeiten. Leider habe ich zur Zeit keinen Drucker, sonst würde ich wieder viel mehr danach nähen...
viele liebe Grüße Rubinengel
Ich finde das Kleid eigentlich recht schön; wenn ich mich erinnere, wie die alten Blusen meiner Oma (Jahrgang 1899) aussahen, habe ich auch immer so einen Kragen vor Augen, ohne Steg. Ich bin weiß Gott kein Experte für alte Kleidung, aber mir erscheint das Detail zumindest ziemlich original "retro". Auf Deine Nähgeheimnisse freue ich mich schon, nur her damit!!
AntwortenLöschenHm, das hat mir jetzt doch ein wenig Angst gemacht. S. hatte mir schon mal die Karte für das Oberteil (deines jetztigen Kleides) gegeben. Ich wollt mich im Juni/Juli mal rantrauen, bin aber nun doch ganz schön abgeschreckt. Habe schon lange keine Kleidung für mich genäht (Kinderklamotten sind einfach). Wenn´s Probleme gibt, dann hab ich ja zwei Anlaufstellen ;-), die dieses Kleid schon wunderschön umgesetzt haben.
AntwortenLöschenLG
Aylin
Oho, da isses ja. Ich würds doch fertig nähen, der Stoff ist schön!
AntwortenLöschenDas mit dem angeschnittenen Kragen ist ganz typisch, das fühlt sich nur ungewohnt an. Hast du schön Einlage reingebügelt?
Ich freu mich schon, wenn ich mehr Zeit hab und auch wieder ein bisschen experimentieren kann...
Liebe Grüße!
Das Kleid - ein Männertraum, wow oder besser pfeif.
AntwortenLöschenLiebe Grüsse, Allerleirauh
Meine ich auch ! Eine tolle Schnittführung und das Ergebnis ist, obwohl sicher ganz schön “ Retro “ ein echter Hingucker.
Löschendas Kleid ist doch echt klasse geworden. Ich würde es auf jeden Fall zu Ende nähen.
AntwortenLöschenMeine Lutterloh-Erfahrungen decken sich übrigens weitgehend mit deinen, bei mir war's eine Hose, die nie fertig wurde. Da ich aber auch noch ein rotes altes 40er-Jahrebuch besitze und viele Karten davon "gelöchelt" sind - da muss also schon Großtante oder sonstwer mit Erfolg genäht haben - werde ich mich nochmals dranwagen. Irgendwann ...
lieben Gruß von Friederike
Also, ich finde das Ergebnis auch gut - und kann gar nicht finden, dass der Kragen schlecht fällt. Allerdings stört es mich ohnehin nie, wenn bei Blusen etc. der Kragen ohne Steg ist, das gibt es doch häufiger. Unbequem sollte das eigentlich nicht sein, vielleicht ist das Halsloch zu klein?
AntwortenLöschenEinlage bei Kragen ist drin? Der Übergang zwischen Kragen und Ausschnitt sind ein wenig holprig aus, es zieht irgendwie Falten.
Aber der Stoff ist schön, der Schnitt äußerst feminin ;) und die Paspel sieht auch gut aus. Vielleicht noch an der Naht zwischen Taille und Rock? Und den Rock kürzen? Ich fände es schade, wenn du es nicht fertig nähst, es sieht doch gut aus.
Lass doch das Mittelteil ungefüttert und säume die Armlöcher so, wie sie sind. Für zuhause, Strand und Garten ideal.
Verstehe ich schon, dass du damit nicht raus willst. Vielleicht ja wirklich als Schöne-Lilofee-Nachthemd, den unbequemen Kragen einfach abschneiden. Bei mir hatte ich die Einlage vorn an das gesamte Oberteil bis hinunter zur Passe gemacht, dann legt sich der Kragen ganz gut um. Bequem ist er aber wohl ohnehin nicht. Ja, diese Paspel sieht sehr schön aus, der Stoff eigentlich auch.
AntwortenLöschenLetzte Anmerkung für alle, die es probieren wollen: Die Sache mit der Taillenweite als Richtwert kann vom System her eigentlich nicht sein. Das wäre ja fast schon wieder ein neues Expermiment zur Überprüfung wert.
OK- das mit dem "sehr feminin" trifft es wohl am besten :)
AntwortenLöschenDas ist wahrscheinlich der Punkt, warum ich der Retronäherei für mich persönlich nichts abgewinnen kann. Da werden die weiblichen Kurven so sehr betont, dass muss man wollen. Und haben.
Und das mit der Selbstverständlichkeit tragen, die bis in die 50er wohl jeder Fau hatte.
Das Kleid ist wunderschön und wenn DER Kragen ein Schwachpunkt ist mache ich von meinen lieber keine Nahaufnahme.....
AntwortenLöschenFertignähen bitte - auf jeden Fall!
LG Karina
tolles Kleid, der Stoff ist ja ein Traum! Und bitte: ja, schreib ein paar Nähgeheimnisse auf. Ich bin am Wochenende schon an einer einfachen Biese für ein Kissen (!!) mittel-verzweifelt, Bedarf ist also da :-)
AntwortenLöschenClaudia
Oooohhhh wie toll, ich bin Näh-Geheimnis-süchtig und freu mich schon wie Bolle!
AntwortenLöschenAylin - nur zu, durch die Kindersachen weißt du doch, wie Kleider im allgemeinen so aufgebaut sind. Ich würde Lutterloh nur nicht gerade für das allererste Kleidungsstück überhaupt empfehlen.
AntwortenLöschenIm Kragen und in den Belegen ist Einlage drin - auf dem Bügel sieht er auch ganz gut aus, aber angezogen sitzt er einfach nicht, das hat nichts mir gewohnt oder ungewohnt zu tun. Ich komme allerdings ins Grübeln, ob ich dem Teil ohne Kragen nochmal eine Chance geben sollte - das Problem der -ähem- "femininen" Figur löst das aber nicht - und da ich bei "für zuhause, Strand und Garten" den Strand und den Garten streichen kann, wäre es demnach ein Kleid für zuhause - und ich hätte viel lieber eins für draußen! Ich werde nochmal drüber schlafen.
'Nähgeheimnisse' hört sich vielversprechend an - mit mir hast Du Deine erste Verfolgerin ;)
AntwortenLöschenWenn Du an dem Kleid noch ein bisschen was optimieren würdest, wäre es ein ganz toller Schnitt für Dich.
Es stimmt, Du hast wirklich ausgeprägte Körpermaße, das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Beneidenswert, diese Taille!
Lutterloh habe ich auch, allerdings die neuzeitliche Variante. Genäht habe ich noch nie danach, die Modelle erscheinen mir so... langweilig? Irgendwann mache ich aber mal einen Versuch, denn die Methode an sich finde ich sehr einleuchtend.
Greets,
Liese
Auf die "Nähgeheimnisse" freue ich mich schon. Manchmal steckt man ja mit der eigenen Technik irgendwie fest und dann hilft oft ein kleiner Tipp und man fragt sich, wieso man noch nicht früher drauf gekommen ist...
AntwortenLöschenViele Grüße
Julia
Danke für den Einblick dieses Schnittsystems. War schon neugierieg, weil es überall so luterlothe.Kenne nur eher mathematsche Konstruktionen, die mir nicht lagen und ich eher an der Puppe abgeformt habe. Kann mir vorstellen, wenn man etwas übt damit, man doch sehr viel schneller zu einem paßgenauen Teil kommt, was ja bei einem fertigen Schnitt auch nur funktionieret, wenn man der Duchschnittstandard in der Proportion ist.
AntwortenLöschenWitziger stoff. Was war das von der Qualität?
experimentelle Grüße von karen
ich verstehe dein "naja" ... es sieht ganz gut aus, aber wohlfühlen würde ich mich nicht damit :-).
AntwortenLöschenich war mal zu einem info-nachmittag zu diesem schnittsystem, fühlte mich aber mehr wie auf einer t*pperparty als im nähkurs und bin nicht zum kurs gegangen :-).
Karen, das ist ein Viskosedruck vom Markt hier, sehr angenehme Qualität, geradezu seidig - und das Muster schien mir gerade passend für die Zeit (Schnitt aus den 40er Jahren).
AntwortenLöschenBianca, ja, die Vorführungen erinnern an die Gemüsereiben-Verkäufer auf Jahrmärkten ;-) Ich hatte mir in Leipzig auf der Messe mal eine Lutterloh-Vorführung angeschaut, daher war ich auch so skeptisch, ob das System überhaupt funktioniert. Insofern war ich von der generellen Passform wirklich positiv überrascht!
ich halte es mirt allerleihrauh...
AntwortenLöschenwow ! wat für ne todschicke braut !
ich finde es sehr gelungen, und ich finde es steht dir ausgezeichnet! es sitzt perfekt an den richtigen stellen und ich würds SOFORT anziehen !
toll wie die proportionen da rauskommen.
vielleichtv sollte ich auch mal...
herzliche grüße
stella
Ich bin schon desöfteren um Lutterloh geschlichen, da ich etwas merkwürdige Körperproportionen habe - Burdafeindlich sozusagen, aber ich glaube mit dem Schleichen hat es sich erstmal erledigt. Das Kleid finde ich klasse. Ich würde es fertignähen und auf den Kragen verzichten, so das es oben eher zum Neckholder wird. Der Schnitt erinnert mich ein wenig an das Kleid von Marilyn Monroe in "Das verflixte 7. Jahr"
AntwortenLöschenBeste Grüsse
Doris
Mir gefällt das Kleid auch, ich finde, Du kannst das tragen :-)
AntwortenLöschenDas mit dem Maßband muss ich aber noch fragen: Hast Du die Entfernungen mit einem normalen Maßband abgemessen? Ich habe bei meinen Büchern ein spezielles Maßband gehabt; bin also nie auf die Idee kommen, ein "normales" zu benutzen.
LG
Aud
Hallo Aud,
AntwortenLöschenwir hatten das Spezialmaßband da, bei den alten Büchern ist das aber nur so eine Art kurzes Lineal, das man mit einem herkömmlichen Maßband verlängern soll. Da sich das so schlecht handhaben ließ, haben wir das Spezialmaß entsprechend auf einem Maßband abgetragen und nur damit gearbeitet.
viele grüße!
Lucy
Hallihallo!
AntwortenLöschenAlso das Kleid find ich echt gelungen, ABER.... Früher hatten die Frauen ziemlich straff sitzende Unterwäsche und Miederwäsche an und die Büstenhalter waren im Unterschied zu heute eher spitzig zulaufend bequem wie heute waren die Sachen weniger (das hat mir meine Oma erzählt). Die Damen haben die Schnitte am Körper mit der Miederwäsche abgemessen. Deshalb sehen die alten Schnitte ja aus wie angegossen. Ich empfehle gut sitzende Unterwäsche.Besonders ein straffer BH ist unter diesem Modell vorteilhaft, dann wirkt es weniger wie ein Nachthemd, tschuldigung. Und die Unterwäsche zu tragen, die man auch zur Anprobe getragen hat!
Alles Liebe und weiterhin gutes Gelingen!
Tinchen
Ja, mit authentisch-40er-Unterwäsche getragen würde das ganz anders asussehen, das ist klar - allerdings ist der authentische Look ganz und gar nicht das, was ich anstrebe, das wäre für mich eine Verkleidung.
Löschenviele Grüße! Lucy
Das Kleid ist doch trotz der Mühen hübsch geworden.
AntwortenLöschenIch habe gestern ein Lutterloh-System aus den 70er Jahren für 100 Euro angeboten bekommen. Kam mir dann doch etwas viel vor, auch wenn das sicher sehr rar ist.
Nachdem ich Deinen Bericht gelesen habe, denke ich, dass ich aber eher die Finger davon lassen werde. Es ist wohl nichts für blutige Anfängerinnen, und so ganz ohne jegliche Anleitung... ich weiß nicht. Und dann noch für den stolzen Preis - ich glaube, ich lasse es lieber.
Puh ja, diese Bände sind fast immer so unglaublich teuer, auch und gerade die älteren. Wenn du nicht grundsätzlich viel Lust zum Experimentieren hast, ist das eher nichts. Und wenn man experimentieren möchte, dann hätte man wahrscheinlich mehr davon, wenn man sich ein Schnittkonstruktionsbuch anschafft und die Schnitte komplett selbst herstellt.
Löschenviele Grüße!