Alle von uns, die die 1980er Jahre bewusst miterlebt haben, tragen bis heute ein Schulterpolstertrauma mit sich - aber keine Angst, um diese Art der Schulterpolster geht es hier nicht. Vielmehr brauchen Blazer und Mäntel ein kleines Schulterpolster, damit die Schulterpartie glatt liegt und sich nicht verzieht. Solche Schneiderschulterpolster (Lucia zeigte in diesem Blogbeitrag ganz am Ende eine kleine Auswahl) sind aber nicht überall leicht zu bekommen - daher war ich sehr froh, als ich in Claire Shaeffers Couture Sewing Techniques eine Anleitung fürs Selbermachen fand. Das beste ist: die Polster lassen sich exakt auf den Mantel- oder Blazerschnitt abstimmen! Meine Polster sind noch etwas kleiner im Vergleich zu Shaeffers, und ich verwende Material, das ich immer im Haus habe.
Man braucht:
- Papier, Lineal und Bleistift für den Schnitt
- Schnitteile für Vorder- und Rückenteil
- Nessel
- Volumenvlies-Reste
- Nadel und Faden
Schnittmuster zeichnen
1. Auf dem Papier eine Linie ziehen und an einem Ende eine Strecke von 2,5 cm einzeichnen.
2. Die Schnitteile für Vorder- und Rückenteil an dieser Linie anlegen, und zwar so, wie die Schulternaht verlaufen würde. Die markierten 2,5 cm sind der Startpunkt, der Armausschnitt ist rechts. Den verlauf des Armausschnitts auf dem Papier nachzeichnen.
3. An der Armausschnittlinie von der Mitte nach oben (Vorderteil) 10 cm abmessen, von der Mitte nach unten (Rückenteil) 12 cm.
4. Die Endpunkte der Armausschnittlinie mit zwei Bögen mit dem rechten Strich der 2,5 cm-Markierung verbinden. Im Vorderteil (oben) einen steilen Bogen zeichnen, der nahezu im 90°-Winkel abknickt, im Rückenteil einen flachen Bogen, fast einen Viertelkreis zeichnen. Den Fadenlauf im Winkel von 45° zur Schulternahtlinie einzeichnen.
Zuschneiden
5. Das Schnittteil vier Mal aus Nessel zuschneiden...
6. ... und 6-8 mal aus Volumenvlies.
Ab jetzt muss man darauf achten, dass man tatsächlich ein rechtes und ein linkes Schulterpolster anfertigt - und nicht zwei gleiche.
Nessel stecken und heften
7. Jeweils zwei Nesselteile übereinander legen und an der Schulternahtlinie umklappen - vorne und hinten liegen die Kanten nun nicht mehr übereinander, die obere Schicht ist kürzer.
8. So feststecken - das ist ein Schritt, der sich unmöglich gleichzeitig ausführen und fotografieren lässt. Die obere Schicht bildet eine Art "Blase", wenn das Teil flach liegt. Wenn man es an der Schulternahtlinie über die Hand hängen lässt, ist die obere Schicht glatt.
9. Die beiden Schichten im gebogenen Zustand mit schrägen Heftstichen zusammenheften - die Mehrweite der oberen Schicht dabei gleichmäßig verteilen.
Mit Vlies belegen
10. Wer eine Schneiderpuppe hat, kann die Polster jetzt auf die Schultern der Puppe legen und dort weiterarbeiten. Die anderen nehmen z. B. ein zusammengerolltes Handtuch.
Die zugeschnittenen Vliesteile auf den Polstern anordnen. Bei der untersten Schicht auslaufend zu den Rundungen Vlies wegzupfen und ausdünnen, jede folgende Schicht ist einen Tick größer als die vorige. Am Armausschnitt ist das Polster also am dicksten und wird zur Rundung (=Richtung Halsaussschnitt) auslaufend immer dünner. Als letzte Schicht kommt ein vollständiges Vliesteil darauf.
11. Die Vliesschichten ebenfalls mit schräg laufenden Heftstichen festheften, dabei das Teil nicht plattdrücken, sondern so gerundet in der Hand halten, wie es von der Handtuchwurst kommt. Durch die festgehefteten Vliesschichten hält das Polster jetzt die Form. Eventuell auf Handtuchwurst/Schneiderpuppenschulter etwas bügeln, das Volumenvlies verdichtet sich dadurch noch.
12. So sieht das Polster von der Rückseite aus.
Eingenäht ist es klein, leicht und unauffällig, knapp einen Zentimeter hoch, und macht garantiert keine Preisboxerschultern.
Super Tutorial! Tausend Dank. Da ich demnächst wieder einen Blazer nähen werde, kann ich es gleich ausprobieren.
AntwortenLöschenLG
Siebensachen
Danke für´s zeigen, wo bei uns mittlerweile 1 Paar 5,60 € kostet. Da rentiert sich das selber machen!
AntwortenLöschenLG, Frieda
Sehr gut erklärt und danke, dass Du dir die viele Mühe gemacht hast mit den Fotos... und es stimmt, die Materialien dafür hat Frau meistens beisammen. Ich bin übrigens ein großer Fan des Mantel-Projekts.
AntwortenLöschenLG schurrmurr
Sehr anschaulich gezeigt, super!
AntwortenLöschenohh, ich schneide konsequent aus allem gekauftem neuen oder second-hand jedes schulterploster raus. egal wie klein, wie niedlich - bei mir müssen die raus.
AntwortenLöschenich glaube jetz ist kein einziges mehr in der wohnung . . .
sollte ich also mal eines so richtig benötigen, werde ich mich diesen tutorials erinnern.
übrigens: die technik mit den schrägen heftstichen wenden alle maßschneider auch bei revers' und unbedingt bei kragen an. dann wird dort eine einlage eingearbeitet, die je nach ausgangsmaterial zwischen mind 2 bis max. 4 schichten besteht. - ich komme bloß nicht mehr darauf wie dieser jute ähnliche stoff heißt . . . und das volumen wurde früher mit "putz-flickenfilz" ( wie heißt das zeug bloß??) anstelle von vlies gemacht.
je dichter die stiche sitzen, je besser fallen kragen und revers.
aber ich nähe keine . . . jedenfalls solange ich keine mäntel nähe ;-).
lg
schönes WoE
carola
Für Kragen und Revers wurde Rosshaareinlage verwendet - in einem meiner alten Nähbücher ist eine ziemlich ausführliche Fotoanleitung für die Verarbeitung einer Kostümjacke mit all diesen Einlagen. Aber ob man das heute so noch tragen wollte? Wahrscheinlich hält so eine Jacke ewig, aber ist viel dicker und schwerer, als wir das heute gewöhnt sind.
LöschenSuper Anleitung! Tausend Dank für die Mühe! Liebe Grüße, Chrissy
AntwortenLöschenVielen Dank!
AntwortenLöschenDas mache ich so in den nächsten Tagen.
Liebe Grüße
Julia
Herzlichen Dank! werde unbedingt nachmachen. War gestern im Laden, wollte mir welche kaufen, aber da kann man sie nur verbindlich bestellen, und die haben nicht mal Muster zum anprobieren da. war mir zu doof - deshalb mache ich sie mir selber. vielen vielen DAnk!
AntwortenLöschenBedanke mich ebenfalls - zum Glück hatte ich noch etwas, was nicht der Nunofilz wurde, der er werden sollte: Merino auf Seide, in einer unmöglichen Farbe. Aber da er dünn (etwa 5mm), fest und dauerhaft ist, für Schulterpolster hervorragend geeignet.
AntwortenLöschenAuch von mir ein großer Dank für Deine Mühe. Ich werde sie noch heute nacharbeiten, weil ich kleine, unauffällige Polster brauche.
AntwortenLöschenWas mir nicht ganz klar wurde - an welcher Stelle wurde einer der Nesselteile kleiner zugeschnitten? Oder der andere irgendwo größer? Wobei mir der Effekt deutlich ist, wegen der Rundung.
Ich werde es hinpfriemeln und Dich am Mittwoch auf meinem Blog verlinken. LG Agathe
Nochmal genau gelesen und jetzt kapiert - Danke nochmal und LG
AntwortenLöschenDanke für die tolle Anleitung. Genau das habe ich gesucht.
AntwortenLöschenLG,
Julia