Sonntag, 7. Oktober 2012

Wintermantel-Sewalong 4: Zuschneiden und Einlage


Wie bringe ich das Zuschneiden, und schlimmer, das Einlage-Aufbügeln hinter mich?


Wir kommen heute zu den beiden Teilschritten auf dem Weg zum fertigen Mantel, die ich persönlich nicht so sehr schätze: Zuschneiden – (Nahtlinien und Passzeichen markieren) – Einlage.

Beim Weihnachtskleid-Sewalong oder bei einem Nähfragezeichen hatte einmal eine Mitnäherin (sinngemäß) gesagt, sie verstehe nicht, warum andere so ungern zuschnitten – schließlich sei das doch der Startschuss für ein tolles, neues Projekt, alles sei noch offen, und deshalb mache ihr das Zuschneiden immer besonders großen Spaß. Ich glaube ich wäre geneigter, diese Auffassung zu teilen, wenn ich dazu nicht gefühlte Stunden auf dem Fußboden herumkrauchen müsste. (Wobei der Perspektivwechsel auch neue Erkenntnisse bringt. Ich fand diesmal unter dem Wohnzimmerschrank eine Packung Zigaretten, die anscheinend unserem letzten Übernachtungsbesuch, Gelegenheitsraucher, dort hingerutscht war. Nach acht Wochen hat es wohl keinen Sinn mehr, dass ich ihm eine offene Packung schicke? Aber das nur nebenbei.)


Ich brachte also die Zuschneiderei möglichst schnell hinter mich. Der Oberstoff war diesmal besonders anstrengend, weil meine kleine Zuschneideschere für solchen dicken Stoff nicht gemacht ist. Ich brauchte nicht ganz die angegebenen 4, 20m, aber da der Stoff einen Strich hat und ich überall 2cm Nahtzugabe und 4cm für die Säume geben wollte, ließ sich nicht viel tricksen.

Ich habe mir in letzter Zeit angewöhnt, alle, wirklich alle Teile des Schnitts sofort und auf der Stelle zuzuschneiden – bis hin zu Streifen für Gürtelschlaufen, Taschenfutter und anderen Kleinteilen, denn ich weiß aus Erfahrung, dass ich es schrecklich lästig finde, wenn ich zwischendurch noch einmal den Reststoff und das Schnittmuster herauskramen muss. So lästig, dass dann manchmal ein Rock ohne Bund monatelang vor sich hin dämmert. Beim Stoffbüro im Blazer-Duett mit Ms. Fischer wurde gerade eine andere, einleuchtende Vorgehensweise beschrieben: Ärmelteile erst zuschneiden, wenn die Rumpfteile angepasst und endgültig zusammengenäht sind und Änderungen an den Armausschnitten gleich auf die Ärmelteile übertragen werden können.




Hier beim Mantelprojekt markierte ich die Nahtlinien und andere Zeichen mit aufgeschnittenen Heftnähten auf den Schnittteilen. Normalerweise betreibe ich nicht so einen Aufwand, aber bei so einem komplizierten Projekt finde ich es entspannend, wenn mir alle Markierungen sicher bis zum Schluss erhalten bleiben. Muss man nicht nachmachen, aber das Markieren ("Durchschlagen") dauert gar nicht so wahnsinnig lange: einen sehr langen Faden doppelt einfädeln und mit Vorstichen durch beide Stofflagen entlang der Nahtlinien und Markierungen nähen, dabei bei jedem Stich eine kleine Fadenschlaufe stehen lassen. Beide Lagen auseinanderziehen und die Fäden dazwischen durchschneiden.

Tja, und dann das Einlage-Aufbügeln. Nachdem ich das letzte Nähkränzchen mehr oder weniger am Bügelbrett verbracht hatte (ich erwähnte es vielleicht schon zwei- oder dreimal), bin ich ein wenig negativ eingestellt. Eine professionelle Bügelpresse wäre aber auch nicht automatisch die Lösung, da mancher Wollstoff, besonders wenn er flauschig ist, so viel Druck gar nicht verträgt. Immerhin verband sich die Einlage für dieses Projekt, eine ganz dünne mit Längsverstärkung, ähnlich Vlieseline H410, ganz willig mit dem Stoff.



Die Vorderteile bebügelte ich komplett, außerdem die Rückenteile etwa bis zur halben Höhe des Armlochs, den Rand der Armlöcher, die Ärmelsäume und die Schlitzbelege im Rückenteil. Eben alle Stellen, wo der Stoff später besonders strapaziert werden wird. So eine dünne Einlage macht den Stoff nicht dicker oder steifer, sondern verhindert, dass er sich verzieht, das ist  gerade beim Vorderteil wichtig, das durch Knöpfe, Knopflöcher, Taschen besonders beansprucht wird. Der Unterkragen ist auch komplett „vereinlagt“, allerdings laufen hier die stabilisierenden Fäden schräg, damit sich der Kragen später noch gut umklappen lässt. Wenn ihr euch noch nicht für eine Einlage entschieden habt, lest vielleicht mal  diesen Beitrag von Lucia über die häufigsten Vlieselinesorten und heute gibt sie viele Tipps zum Aufbügeln, das ist auch sehr lesenswert!

Den Futterzuschnitt habe ich bis heute vor mich hergeschoben - Memo an mich selbst: heute erledigen und an die Zugabe im Rückenteil für die Bewegungsfalte denken!

Danach gehts endlich an die Nähmaschine - das macht dann erst richtig Spaß!  Und ihr? Bügelt ihr noch oder näht ihr schon?





22 Kommentare:

  1. Haha! Nähen? und Bügeln? Auch noch nicht dran zu denken?
    Wir lesen uns nächste Woche wieder, mal sehen, was sich bis dahin machen lässt!
    Respekt vor diesen Stoffmengen, die du da bewältigst! Ich war schon vom Steppfutter in der kurzen Version genervt, weil ständig alles vom Tisch gefegt wurde!
    Bis nächste Woche!
    LG,
    BuxSen

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  2. oh mann... genau das hab ich alles schon erst seit 2 tagen hinter mir..weil ich dachte ich näh zur vorübung auf den mantel mal schnell einen blazer in himbeerrotsamt mit viel stretch...HAHAHAHAHA ! allein die prozedur des zuschneidens waren 5 Stunden...zumindest hab ich den stoff für den MAntel schon mal, aber keine Einlage, dafür Borten gefunden, bei perspektivischen Aufräumen des Nähzimmers... und deinen interessanten Bericht über Einlagen konnte ich nochnichmal lesen, vor lauter Alltagsgeeier...

    ich weiß manchmal echt nicht wie andere Nähelfen das machen, mit Beruf, Kindern und Haushalt..und einem Garten voller Unkraut...


    Nu denn, geh ich mal frohen Mutes ins Kämmerlein !

    Herzliche Grüße
    Stella

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    1. Garten voller Unkraut und Kinder kannst du bei mir streichen - und Haushalt, naja, an der Zigarettenschachtelgeschichte sieht man ja, wie oft hier gründlich gesaugt wird...

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    2. (Ach ja, und eine gut abgehangene Blazerleiche gibt es hier auch noch...)

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  3. nein, ich hinke hinterher weil ich mich nicht trauen würde zuzuschneiden ohne das mein Probeteil passt, zu oft fehlte mir schon Nahtzugabe... ich habe echt ein bisschen Angst vor dem Zuschneiden aber mein Stoff ist ja noch gar nicht angekommen so kann ich noch entspannt sein.
    Ich werde auf jeden Fall auch durchschlagen wie Du es hier gezeigt hast.
    und Bügeln - finde ich gar nicht so schlimm...
    Ja guter Tip das auf dem Boden zu machen - bei mir reicht auch der Tisch nie es zieht dann immer mal an einer Seite runter und einen Überblick hat man so ja auch eher. Jetzt bin ich mal gespannt, was so für Einlagen gemommen werden, da habe ich noch keine...gucke aber erst mal bei Lucia, danke für den Hinweis.
    Noch einen schönen Sonntag!

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  4. Du hast die Nahtlinien durchgeschlagen??? Ich erstarre in Ehrfurcht!

    Meine Faulheit wird sich rächen, ich ahne es schon jetzt...

    LG, Bronte

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    1. Wie frifris weiter unten gerade sagte, ist das eigentlich gar nicht so aufwendig! es wird auf jeden Fall noch komplizierter, wenn man nach dreimal Bügeln keine Markierungen mehr hat und dann mit den Schnittteilen am halb genähten Teil rekonstruieren muss, wo jetzt nochmal die Nahtlinie verlief (rate mal, woher ich das weiß...)

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  5. Zuschneiden auf dem Boden empfinde ich als Höchststrafe. Du brauchst einen Tisch! Ein langes Falt-Klapp-Ding, das Platz in der kleinsten Stadtwohnung hat. In meiner Studentenbude musste ich auf den Boden ausweichen,ganz schlimm! Ich habe dann nur noch Taschen genäht, da kleine Teile, die ich auf dem Schreibtisch zuschneiden konnte.
    Umso mehr Respekt habe ich vor deinen Projekten! Sehr strebsam, das mit den Heftfäden, aber ganz bestimmt cleverer als meine Buntstiftschmierereien.
    Viele Grüße
    Julia

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  6. Ich schneide auch auf dem Boden zu, noch kommt mein Rücken sehr gut damit zurecht ;) Ich habe damit einfach auch die größte Übersicht. Der Esstisch ist bei uns zu klein, vor allem, wenn man dann auch noch Karo anpassen muss und ähnliches.

    Und ich musste auch beim Durchschlagen schmunzeln, bei richtig aufwändigen Projekten die man womöglich auch noch häufiger durch die Gegend ziehen muss, mache ich das auch und habe festgestellt, dass es sogar häufiger schneller geht als dieses Hin und Her mit Stiften/Kreide etc. Eigentlich dauert es nämlich nicht länger. Ich glaube, das wirkt nur so altmodisch und perfektionistisch, weil man es nicht mehr so oft liest und sieht.

    Sehr gut finde ich deinen Hinweis mit der schräg zulaufenden Einlage auf dem Kragen, das hätte ich nicht gewusst. Ich bin mir auch immer wieder mal unsicher, ob man den oberen oder unteren Kragen vereinlagt. Bei den amerikanischen Schnitten scheint es mir eher immer das obere bzw. vordere Stück zu sein. Das muss ich mal nachlesen gehen (haha! Damit hab ich mich jetzt wohl endgültig auf die Streberinnenbank gesetzt).

    So ein bisschen neidisch bin ich schon auf Euer Mantelprojekt. Aber es ist ja nicht so, als hätte ich nicht genug in der Warteschlange *seufz*.

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  7. Da hast Du Dir aber wirklich viel Mühe gegeben, das sieht sehr professionell mit den Heftfäden aus - mir immer schon ein Gräuel, aber manchmal nutzt es schon was...
    Leider bin ich hoffnungslos hinterher, da ich noch auf den Stoffmarkt warten möchte, tja, vielleicht bei einem der nächsten Termine mal wieder...

    Liebe Grüße,
    Stefanie

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  8. Wow! Vielen Dank für Deine Post. Das Durchschlagen der Nahtlinien ist perfekt, das muss ich wohl noch nachholen, denn meine Kreidelinien sind nach dem Aufbügeln der der Einlage kaum mehr zu sehen. Lieben Dank und viele Grüße Kuestensocke

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  9. Boahhhhhhhhhhhh jetzt seh ich erst das hast Du ja rundeherum gemacht, toll, ich bin echt auf das Ergebnis neugierig....
    lG Melanie

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  10. Danke für den Beitrag!
    Wenn die NZ bereits im Schnitt enthalten ist, kann ich das mit diesen Markierungen wohl vergessen, oder?

    lg von Daxi

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  11. Ich bin beeindruckt! Durchschlagen tue ich eigentlich nie. Ich benutze Kreideminen, die verschwinden auch beim Bügeln nicht.
    Was ich mir allerdings mit normalen Einzieh-Fäden markiere ist die Taille. Da kann man später besser die Balance überprüfen. Auch die Vordere Mitte markiere ich so.

    LG Lucia

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  12. Das Durchschlagen ist bei manchen Stoffen unumgänglich find ich , und es beruhigt mich doch sehr , dass Du das auch machst - Ich fühlte mich bis jetzt sehr altmodisch das zu tun , und dachte : das machen die anderen bestimmt viiel einfacher , und nur ich weiss es nicht besser ;)
    Liebe Grüse Dodo

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  13. Das Durchschlagen ist bei manchen Stoffen unumgänglich find ich , und es beruhigt mich doch sehr , dass Du das auch machst - Ich fühlte mich bis jetzt sehr altmodisch das zu tun , und dachte : das machen die anderen bestimmt viiel einfacher , und nur ich weiss es nicht besser ;)
    Liebe Grüse Dodo

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  14. Ich nähe zwar keinen Wintermantel (es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Ihr mich angesteckt habt!), aber Durchschlagen würde ich bei so einem Projekt auf jeden Fall auch empfehlen.
    Viele Grüße
    Rita

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  15. Schon erstaunlich wie schnell eine Woche vergeht und schon muß man zuschneiden?!
    Ich habe auch auf dem Boden zugeschnitten, allerdings in der Küche und bin froh, daß ich da nichts unter dem Schrank gefunden habe:).
    Ich finde den Sew-Along toll und auch wenn ich keine Nähanfängerin bin habe ich wieder einiges dazugelernt.
    Weiterhin viel Erfolg wünscht Anja.

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  16. :( Ich verpasse nun doch die einmalige Gelegenheit mit Euch allen einen Mantel zu nähen. Bei mir ist ein anderes Projekt dazwischen gekommen, was meine ganze reduzierte Freizeit in Anspruch nimmt. Ich bin gespannt auch Eure Werke!!!

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  17. Ich war ganz gerührt, als ich die "gschlupferlten" Längen (so heißt das in Österreich statt "Durchschlagen") entdeckt habe. Ich dachte immer, das ist eine ausgestorbene Kunst, die außer mir keiner macht. :-)

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  18. Ich habe immer Probleme, die Durchschlagfäden vernünftig wieder rauszuziehen, wenn die Vlieseline mal draufgebügelt ist. Oder hast du links auf links zugeschnitten, dann wären natürlich die "Fransen" unter der Vlieseline, das dürfte leichter rauszuziehen sein.

    Wie machst du das?

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    1. So lange pulen, bis alles draußen ist ;-)
      Im Ernst, eigentlich sollte man wohl erst die Einlage aufbügeln und danach noch einmal alles zusammenlegen und durchschlagen, aber das ist mir dann doch zu aufwendig. Daher nehme ich lieber in Kauf, dass die Fäden durch die Vlieseline etwas festgeklebt sind, notfalls bekommt man sie mit einer Pinzette wieder raus. Die letzten Fäden finde ich traditionellerweise, wenn ich länger im Bus sitze oder bei anderen langweiligen Wartezeiten.

      viele Grüße!

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