Freitag, 16. August 2013

Cyanotypie: den preußischen Himmel einfangen


Cyanotypie oder Eisenblaudruck wollte ich ja schon sehr lange mal probieren, der Liebste auch, und letztlich waren es Kristinas Blogposts zum Thema, weswegen er spontan die Chemikalien bestellte - man braucht ja manchmal so einen Anstoß, um Pläne in die Tat umzusetzen. Die Cyanotypie ist ein fotografisches Druckverfahren und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden, man kann damit zum Beispiel  Papierabzüge von Fotonegativen herstellen. Eine der Pionierinnen der Cyanotypie war aber die englische Botanikerin Anna Atkins, die diese damals völlig neue Technik verwendete, um Algen, Blütenpflanzen und Farne abzubilden und zu dokumentieren. Eines ihrer Bücher, Photographs of British Algae von 1843 kann man zum Beispiel hier Seite für Seite anschauen.  


Möchte man heute Cyanotypie ausprobieren, gibt es zwei Möglichkeiten. Die einfache: gebrauchsfertige Lösungen oder die nötigen Salze im Künstlerbedarf in kleinen Mengen teuer kaufen, schon fix und fertig abgewogen. Die Kompliziertere: Man bestellt bei einem Chemikalienhandel die kleinstmögliche Menge und hat dann so viel, dass man ganze Tapetenbahnen belichten könnte. Wir entschieden uns für letzteres und folgten der grundlegenden, einfachen Cyanotypie-Anleitung von Herbert Frank. Die beiden Salze - Ammoniumeisen(III)-Citrat und das so genannte "rote Blutlaugensalz" Kaliumferricyanid - wurden mit einer etwas gewagten Konstruktion aus Briefwaage mit angehängtem Teefilterbeutel abgewogen und jeweils für sich in destilliertem Wasser aufgelöst. Die Chemikalien sind reizend und das Ammoniumeisen(III)-Citrat noch dazu staubfein, das heißt man sollte beim Hantieren darauf achten, dass man nichts einatmet, nichts schluckt, nicht herumkleckert und das Zeug nicht auf die Haut kriegt. Die beiden Lösungen lassen sich fast unbegrenzt lange aufbewahren.

Für die lichtempfindliche Cyanotypieflüssigkeit müssen die beiden Lösungen im Verhältnis 1:1 vermischt werden, am besten in einem Raum ohne Tageslicht bei 25-Watt-Funzelbeleuchtung. Unser fensterloses Bad erwies sich endlich einmal als praktisch, weil man für die beschichteten Papiere und Stoffe außerdem einen dunklen Trockenplatz braucht. Die Cyanotypielösung ist eine gelb-grüne Flüssigkeit, die vom Stoff prima aufgesaugt wird. Papier könnte man trockenföhnen, Stoffe eher nicht. Ich experimentierte mit zwei Materialien, einem dicken, leinenähnlichen Baumwollstoff, der sehr viel Flüssigkeit schluckte, und einem dünnen Baumwollbatist mit ca. 20% Polyanteil.

Wir beschichteten Stoffe und Papiere am Samstagabend und ließen sie über Nacht trocken, Sonntag nach dem Frühstück, es sah eher nach Regen aus (typisch! da braucht man EIN Mal Sonne!) wurde es dann richtig spannend - wenn man alles selber macht, selber abwiegt und mischt, noch dazu mit solch durch und durch professionellem Equipment wie wir, weiß man ja nicht, ob es wirklich funktioniert. 


Ich hatte am Tag vorher ein paar Pflanzenteile gesammelt und über Nacht schon ein bißchen im Telefonbuch gepresst und mir ansonsten nicht allzu viele Gedanken gemacht. Die Pflanzenteile (oder was man sonst abbilden will) kommen auf den jetzt trockenen, grün-gelben Stoff, darauf am besten eine Glasscheibe, z. B. aus einem Bilderrahmen. Das ganze wird jetzt dem Licht ausgesetzt, bei voller Sonne so 10 bis 15 Minuten, im Winter wohl besser eine Stunde oder sogar länger.

Wir haben bei unseren Experimenten nicht exakt die Belichtungszeit genommen, was man aber unbedingt tun sollte, möchte man sich systematisch an gute Druckergebnisse heranarbeiten - aber dazu war die ganze Sache einfach zu aufregend! Durch das UV-Licht entsteht aus dem wasserlöslichen Ammoniumeisen(III)-Citrat irgendwie (fragt lieber die Chemikerin eures Vertrauens nach Details) eine wasserunlösliche, strahlend blaue Eisen(II)-Verbindung - aber eben nur dort, wo das Licht hinkommt. 


Der Stoff verfärbt sich im Licht dunkel-braun-grün, und wenn man die Pflanzenteile abnimmt, siehts erstmal etwas enttäuschend aus: scheinbar nur ein paar undeutliche Spuren. Soll das alles gewesen sein?


Beim Ausspülen erscheinen dann mehr und mehr Details!


Und beim Trocknen wird das Bild noch deutlicher, feine Strukturen werden sichtbar.


Das ist der beste Druck und das typische Preußisch Blau der Cyanotypie: den Stoff hatte ich gut mit der Lösung getränkt (soweit sich das nachher rekonstruieren ließ) und bei bedecktem Himmel ziemlich lange belichtet.

Hier war entweder zu wenig Lösung drauf, die Lösung war nicht ganz im richtigen Verhältnis gemischt, oder ich habe nicht lange genug gewartet.


Der Batist hat die Farbe etwas anders angenommen als die Baumwolle, durch den Polyesteranteil ist der Untergrund ganz leicht meliert. Grundsätzlich ist aber dünnerer Stoff wohl besser geeignet: er schluckt nicht so viel Flüssigkeit, und wie immer beim Stoffdruck lassen sich feine Details auf dem feinen Fadenraster besser abbilden.


Weil die Pflanzen noch nicht ganz platt gepresst waren, ergeben sich zum Teil reizvolle Unschärfen, wenn die Blätter nicht ganz plan aufliegen. Es ist faszinierend, dass auch die fligransten Strukturen auf diese Weise übertragen werden können. Im Herbst möchte ich die Technik unbedingt mit skelettierten Blättern ausprobieren!


Der Versuch mit Scherenschnittrosetten und Papierpunkten aus dem Locher wirkt im Vergleich dazu  grobschlächtig. Die Umrisse der Glasscheibe (es war windig, die Scheibe aber kleiner als der Stoff) haben sich hier auch mit übertragen.


Der zweite Druck mit Scherenschnittmotiven. So weit ich gelesen habe, sind die Drucke sehr lichtecht, und in klarem Wasser oder mit Wollwaschmittel waschbar, da die Farbe von Laugen (=normales Waschpulver) angegriffen wird. Wir werden bestimmt weiter experimentieren - die Foto-Ergebnisse des Liebsten gibts übrigens hier zu sehen.

11 Kommentare:

  1. Oh, was für ein tolles Experiment!
    Das Ergebnis gefällt mir sehr gut, der Blauton ist wundervoll, kaum zu glauben was Chemie so alles kann (ich meine Rotes Pulver + Gelbes Pulver = Blau, irre).
    Die Methode behalte ich mir auf jeden Fall im Hinterkopf, um sie irgendwann selber mal auszuprobieren.
    Vielen lieben Dank für diesen Post!

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  2. Schön experimeniert! Prinzipiell muß das doch verwandt sein mit der Milch, die ich probiert habe? Das Blau gefällt mir ausnehemnd gut. Vielleicht könnt man sogar beides mischen? An Scherenschnitt hatte ich nämlich auch gedacht, nur saugt das Papier ja auf. Hast du Folie genommen? Die Exaktheit der Konturen ist sehr beeindruckend.
    Blaue Grüße schickt Karen

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    1. Den Stoff muss man trocknen lassen, nur so funktioniert es! Daher gibts auch keine Probleme mit durchweichenden Scherenschnitten.

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  3. Toll, dass es auch auf Stoff so gut funktioniert. Diese Blautöne sind ja meine absoluten Lieblingsfarben, deshalb begeistern mich eure Experimente umso mehr. Ich frage mich: Wenn man die Fotonegativvorlagen auf dem Stoff verwenden würde, wie wäre das? Ich hatte schon bei Kristina die Fotomotive gesehen und überlegt, dass das zwar eigentlich schön, aber andererseits für Stoff nach meinem Geschmack nicht so passend ist (Gefühl, schwer zu erklären, vielleicht weil es zu technisch/perfekt ist?). Deine Pflanzen oder die Ozeanblumen als Quilt z.B. wären aber sicher wunderbar. Die Scherenschnitte sehen, wenn sie angeschnitten sind, auch richtig gut aus.
    Die Scherenschnitte von Philipp Otto Runge wären auch eine gute Inspirationsquelle. Die wollte ich schon mal mit Bleiche auf blauem Stoff nachmachen, aber das bekäme man ja nie so exakt hin wie hier mit dem umgekehrten Verfahren. Toll, dass eure Leidenschaften sich hier so verbunden haben!

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    1. So eine Fotovorlage auf Stoff abzubilden, kann ich beim nächsten Mal ja mal probieren. Ich fands aber auch erstmal nicht so passend, ich wollte eher Muster als Bilder ausprobieren. Aber wenn man z. B. mal einen Quilt mit Familienfotos machen möchte, wäre das eine gute Möglichkeit, um die Bilder auf den Stoff zu bringen. Elaboriertere Scherenschnittexperimente scheitern bei mir schon daran, dass ich solche filigranen Scherenschnitte gar nicht herstellen könnte - im Februar 2011 hatte ich ja z. B. zufällig eine Scherenschnittausstellung gefunden Eine Wiese im Wedding - sowas würde sich gut eignen. Aber echte Pflanzen sind auch schön.

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  4. Superschöne Ergebnisse. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich von diesem Verfahren noch nichts gehört habe. Auf jeden Fall einen Versuch wert! Ich glaub meine ausrangierten Jeans sind nun fällig :-)

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  5. Oh, das freut mich aber, dass ich Euch gleich im Doppelpack zum "Blaumachen" angesteckt habe :)
    Darf ich deinen Artikel bei mir verlinken?

    Viele Grüße

    Kristina

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  6. Ah, sooo schön! Ich liebe, liebe dieses Blau. Und die Pflanzendrucke sind ja ohnehin mein Fall.
    Habt Ihr die Farben noch fixiert, ich meine in einer der Videoanleitungen (hab ich die damals bei meinem Fotodruckexperiment mit verlinkt?) hat die Dame die Stoffe danach noch mit etwas behandelt, um die Farbe zu fixieren.

    Also, wenn meine Fotodruckexperimente mal so aussehen, bin ich zufrieden. Ich hätte aber auch lieber Euer Blau. Das chemische Experimentieren zuhause ist aber leider nicht so meins (also, nicht mit solchen dauerpräsenten Mitbewohnern).
    Auf alle Fälle wieder eine Erinnerung an die Färbeexperimente. Damit bin ich irgendwie auch noch nicht durch, mal sehen, vielleicht hab ich diesen Restsommer ja mal irgendwann noch die Ruhe.

    LG frifris

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    1. Das Blau muss nicht mehr fixiert werden - ich nehme auch stark an, dass die Fotodruck-Farbe, die du verwendet hattest, irgendwelche anderen Chemikalien enthält. Muss das gleich nochmal bei dir nachlesen.

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    2. Also, nochmal nachgeschaut: du meintest den Film, wo es um Cyanotypie auf Stoff geht? Wenn ich das richtig verstanden habe, nimmt sie Wasserstoffperoxyd zum Nachspülen, das steht so in einigen Anleitungen, angeblich sollen dadurch die Kontraste und Details, die sonst erst beim Trocknen mit der Zeit nachdunkeln, sich sofort entwickeln. Da das Zeug nicht unbedingt nötig ist und in der verwendeten Basisanleitung nicht aufgeführt, haben wir das nicht verwendet, lieber so wenig Chemie wie möglich. Wäre aber mal interessant, zweimal das gleiche Material mit dem gleichen Motiv nebeneinander zu belichten und dann zu schauen, ob das Peroxyd einen Unterschied macht. Du solltest wirklich noch einmal mit der Fotofarbe herumprobieren, mit dem Mottenbild und mit aufgelegten Blättern!

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