Sonntag, 28. November 2010

Alabama Lydia


Dekorierte Kleidung ist ja immer so eine Sache, finde ich - der Grat zwischen "gekonnt" und "ungeschickt selbstgebastelt" ist ziemlich schmal. Wie aber sogar handgenähte Verzierungen absolut hochglanzmagazinwürdig aussehen können, dafür ist die Webseite von Alabama Chanin eine gute Inspirationsquelle. Die Designerin Natalie Chanin entwirft Kleider, Wohnaccessoires und Möbel und lässt sie in Alabama anfertigen. "Slow design"´nennt sie diesen Prozess, denn nicht nur dass ressourcenschonend mit Bio-Stoffen und Recyclingmaterialien gearbeitet wird: Die Kleider sind komplett von Hand genäht und meistens großflächig mit Applikationen und Stickereien verziert, und das dauert seine Zeit, was auch die stolzen Preise für die Stücke erklärt. Inzwischen gibt es sogar zwei Anleitungsbücher von Natalie Chanin, so dass man macnhe Stücke originalgetreu nacharbeiten kann.

Im Oktober 2008 hatte ich schon einmal einen kleinen Versuch mit Applikationen im Alabama-Chanin-Stil unternommen, den ich bald wiederholen wollte, im Mai dieses Jahres wurde ich durch die wunderbaren Röcke von Kathrin/annekata aufs Neue daran erinnert, so dass im Oktober die Lösung auf der Hand lag, als ich von drei verschiedenen Jerseys im blau-grün-petrol-Spektrum jeweils gerade ein bißchen zu wenig hatte.


Die Schnittgrundlage ist Lydia von burdastyle.com (auch im Heft 10/2006 als Nummer 114/115) mit selbst eingezeichneten Vorder- und Rückenpassen. Die Passenteile sind doppellagig - obere Lage petrolblau, untere Lage grün - und mit Reversapplikationen verziert.

Die offenkantige Reversapplikation, manchmal auch "ungekehrte" Applikation oder Negativapplikation genannt, ist wohl die Technik, die Alabama Chanin am häufigsten verwendet. Jersey hat dabei den Vorteil, dass die offenen Schnittkanten nur minimal ausfransen.
2008, als ich meinen alten Beitrag schrieb, gab es auf der Webseite sogar eine Fotoanleitung dafür, die inzwischen verschwunden ist, daher habe ich ein bißchen mitfotografiert. Schwierig ist die Applikation nicht, und auch gar nicht so zeitaufwendig, ja sogar fernsehgeeignet, sofern das Programm nicht zu spannend ist. Die Technik eignet sich natürlich nicht nur für Shirts (auch wenn man damit sogar solche mit Löchern oder Flecken noch retten kann), sondern auch für Schals oder Kissenbezüge oder kleine Einsätze für Taschen, die sogar noch bis Weihnachten fertig werden würden. 

Material: Jersey, Heftgarn, Papier für eine Schablone, Seife oder Schneiderkreide oder Markierungsstift, Stecknadeln, Sticktwist oder anderes stärkeres Garn, passende Nadel, kleine spitze Schere
(Die Bilder werden beim Anklicken vergrößert angezeigt.)

Das Schnitteil zwei Mal aus Jersey zuschneiden und die beiden Lagen am Rand aufeinander heften (links auf rechts). Bei so kleinen Teilen verzieht sich im allgemeinen nichts, bei größeren Flächen würde ich eventuell in der Mitte noch ein- oder zweimal durchheften oder beide Lagen mit etwas Sprühzeitkleber verbinden.

Für das Muster braucht man - logisch - eine Idee und dann eine Schablone. Es lassen sich z. B. Quiltschablonen verwenden, oder man überträgt ein Stoffmuster auf Papier, aber auch einfache Blümchen, Blätter, Kreise, Ovale oder Spiralen sehen gut aus. Die Formen sollten nicht zu filigran und kompliziert sein. Ich habe hier einfach ein Stück Papier in der Größe des Schnitteils mehrmals zusammengefaltet, am Rand Dreiecke und andere Formen herausgeschnitten (wie bei den Scherenschnittsternen, die man in der Grundschule macht), und hatte damit meine Schablone.

Die Schablone auf dem zusammengehefteten Jersey feststecken und das Muster durchmalen. Ich verwende gerne kleine Seifenstücke dafür, das lässt sich problemlos auswaschen und kostet nichts.

Die bemalten Flächen werden später ausgeschnitten, dort kommt die  untere Stofflage zum Vorschein.
Am Rand der markierten Motive mit kleinen Vorstichen entlangnähen.  Dabei den Faden nicht allzu stark anziehen - die Stiche verschwinden dann leicht im Stoff, und mit lockerem Faden bleibt die Stickerei noch etwas elastisch.

Hier habe ich Sticktwist (2fädig) verwendet, aber jedes andere dickere Garn funktioniert sicher genauso gut, zum Beispiel Handquiltgarn oder einfädiges Stickgarn (dänisches Blumengarn).

Um vom einen zum nächsten Motiv zu kommen, kann man den Faden zwischen den beiden Lagen entlangführen - wie man auf dem zweiten Foto vom Tshirt oben erkennen kann, habe ich das selbst nicht immer ganz konsequent so gemacht.

Wenn alle Formen umnäht sind, innerhalb der Motive die obere Stofflage mit einer spitzen Schere sehr vorsichtig wegschneiden - bei sehr gutem Licht und vor allem: ohne Hektik!

Der Rand des Schnitteils bleibt so, wie er ist, bei Zusammennähen werden beide Stofflagen wie eine behandelt. Ich habe auch die Passennähte anschließend noch mit Vorstichen verziert.

Für solche Applikationen kann ich mir übrigens noch bessere Platzierungen vorstellen als meine Schulterpasse - meistens trage ich nämlich eine Strickjacke darüber, und dann sieht man gar nichts mehr vom Muster. Beim nächsten Mal probiere ich eine Rundpasse rund um den Ausschnitt oder einen Einsatz vorne, falls ich nicht wieder viel zu wenig Stoff habe.

20 Kommentare:

  1. Das selber zu machen wäre nichts für mich - zu kleinteilig für meinen Intellekt ;) - aber die Modelle sind atemberaubend. Allerdings darf man wirklich nicht auf die Preise schauen, ich habe doch glatt die Schnappatmung bekommen...
    Danke für den Link,
    als Inspirationsquelle unschlagbar,
    Liese

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  2. Liebe Lucy, dein Shirt ist unglaublich schön! Und dank deiner tollen Dokumentation MUSS ich das auch mal ausprobieren. In meinem Kopf grummelt es schön, ganz neue Möglichkeiten tun sich auf.
    Vielen Dank für diese Inspiration (und die handfeste Anleitung für Nachmacher wie mich!)
    LG
    Wiebke

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  3. Danke für die Anleitung (und den Seifentipp im Speziellen!). Da ich meinen kleinen Traktor aka meine Nähmaschine abends nicht so gerne anschmeiße, sind Handnähprojekte immer gerne gesehen. Dein Shirt ist mir schon Anfang November aufgefallen - schön, dass du es hier nochmal vorstellst. Eine schöne Advendszeit, Ulrike

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  4. Auch mir gefällt das Shirt sehr gut. Vielen Dank für die Anleitung und die Idee mit der Seife war mir so auch neu.

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  5. Tolles shirt und tolle Links! Soll ich das in die Liste aufnehmen all der Sachen die ich noch machen möchte? Ich glaub mir wird mein Leben zu kurz.
    Liebe Grüße
    Teresa

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  6. Total schön!
    Die umgekehrte Applikation an der Schulter gefällt mir sehr gut, und Dein ausführliche Anleitung werde ich mir in den nächsten Tagen in Ruhe durchlesen. Danke!

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  7. Toll. Finde du bist immer ein Tick voraus. Finde dein Blog sehr inspirierend. So viele neue Ideen. Manchmal überfordert mich das www. ICH HAB DOCH NUR 24 H! ;-)

    Liebe Grüsse

    Simone

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  8. Super schöm geworden und man kann echt sehn wie viel Arbeit drin steckt. Und danke für die Ableitung, das macht Lust auf Nachmachen. Toll!!!
    LG von der See

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  9. Vielen Dank für die Erklärungen, das ist sehr anschaulich. Und dass du schon 2008 an dem Thema dran warst finde ich auch bemerkenswert. Vielleicht schaffst du ja nun auch noch eine strickjackentauglicher Version.
    Bei Alabama Chanin hatte ich noch nicht vorbeigeschaut, sehr eindrucksvoll, sehr konsequent.

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  10. Wunderschoen das T-Shirt! Was fuer eine gute Idee, die Passe mit Applique zu verschoenern. Und die Farbzusammenstellung ist ausgesprochen gut gelungen. Da krieg ich auch wieder Lust, meine T-Shirts rauszukramen.
    lg Kathrin

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  11. Danke Dir für Deine Anleitung - faszinierend ist, das sich dieser weiche Jersey bei Dir kaum ringelt oder zieht - das zeigt mal wieder dein Geschick und deine Geduld, die du für deine Dinge aufbringst. Ich finde das toll und ausserordentlich bewundernswert.

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  12. Danke für eure netten Kommentare! Einen Link habe ich noch: bei burdastyle.com gab es vor einem halben Jahr einen Wettbewerb, bei dem man sich von Alabama Chanin inspirieren lassen sollte. Die Fotogalerie der wettbewerbsbeiträge ist auch sehr sehenswert.

    Floh, dieser flutschige Jersey, der einlagig wirklich etwas ätzend zu verarbeiten ist, gewinnt sehr, wenn man ihn doppelt nimmt. Da rollt sich nichts mehr, das Material ist ganz buttrig weich und trotzdem formstabil. Das ist nicht nur doppelt gelegt, sondern auch mindestens doppelt so gut.
    @Ulrike: genau, du hattest die Quelle ja ganz richtig erkannt. Hast du bei den Alabama-Büchern schon zugeschlagen? Die reizen mich nämlich auch, aber welches mehr? Meine Nähmaschine heißt auch Traktor ;-)

    Habt noch einen schönen Tag!
    Lucy

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  13. Noch habe ich gar keines. Zu Weihnachten werde ich mir aber eines wünschen. Und das erste Shirt mit Inverser Applikation ist gestern abend auch ferig geworden (http://www.flickr.com/photos/28573340@N02/5220094507/). Also vielen Dank nochmals für die tolle Anleitung!

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  14. Wow, bist du schnell - das ist an einem Abend fertig geworden?! Die Knöpfe passen gut dazu. Danke fürs Zeigen.

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  15. Wow - echt beeindruckend!

    LG Zora

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  16. hihi - viel zu wenig stoff hab ich auch immer. (:
    schöne idee, die seite muss ich mir gleich mal anschauen.

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  17. Toll!! Idee, Ausführung und Dokumentation sind genial.

    Da weiß ich endlich, womit ich meine Lieben zu Weihnachten beglücken könnte...
    Vielen Dank dafür!
    Grüße, Marion

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  18. Das Shirt sieht einfach genial aus!!!

    Liebe Grüße
    Lara

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  19. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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