Freitag, 5. September 2014

Nahtzugabe unterwegs: Berlin (Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni)


Wenn man schon länger in einer Stadt lebt, hört man ja irgendwann auf,  Touristensachen zu machen. Man besichtigt nichts mehr, man fährt nicht mehr ins Stadtzentrum, wo die Sehenswürdigkeiten sind, man macht keine Bootsfahrten und Stadtführungen schon gar nicht, es sei denn, Besucher von außerhalb wünschen dies. Auch an mir erkenne ich dieses Muster: Unter den Linden nur noch mit Besuch, KadeWe nur noch mit Besuch (da wollte leider schon lange keiner mehr hin), auf die Museumsinsel wird der Besuch alleine geschickt, und von einigen typischen Touristensachen rate ich sogar ab.

Der Flohmarkt auf der Straße des 17. Juni war so eine Touristensache, von der ich schon oft abgeraten hatte, aber, wie ich jetzt zugeben muss, zu Unrecht. Ich hatte nämlich angenommen, Flohmärkte in Berlin seien generell überteuerte Touristenfallen die nur von dem Glauben der Touristen lebten, Flohmarktbesuche gehörten zum typischen Berliner Lebensgefühl. (Die Ursache meiner pauschalen Flohmarkt-Ablehnung liegt wohl beim Markt an der Arena Treptow, in dessen Nähe ich wohne und der in jedem Berlin-Reiseführer online wie offline empfohlen wird: Muffige Hallen, durchzogen vom Geruch nach altem Fett, der von einer schmuddeligen Pommesbude ausgeht, hingeschüttete Haufen alten Hausrats, kein Stück, das nicht schmutzig oder angeschlagen wäre, schlecht gelaunte Händler, die dafür Mondpreise verlangen, und keiner kauft. Ein Flohmarkt mit schlechtem Karma, Hallen, die vor Unzufriedenheit summen. Auch ein Vorurteil? Vielleicht - ich war bestimmt zwei Jahre nicht mehr auf diesem Markt und werde meinen Eindruck demnächst überprüfen).   

Auf den Trödelmarkt, der jeden Samstag und Sonntag auf der Straße des 17. Juni zwischen der Station Tiergarten und dem Charlottenburger Tor stattfindet, schleifte mich der Liebste nun vor einigen Wochen und zwang mich, meine Vorurteile zu revidieren. Uns erwartete ein gut besuchter, aber nicht überfüllter netter kleiner Markt mit einer Mischung aus professionellen Händlern und Gelegenheitsverkäufern. Es wurde viel geredet und gekauft, die Preise, die ich mitbekam, kamen mir nicht überzogen vor - Käufer glücklich, Händler glücklich, und damit ergibt sich gleich eine positiv gestimmte Atmosphäre, ich finde das merkt man. 

Die mich mitriss, denn an einem Stand, wo mehrere Freundinnen Klamotten  verhökerten, erstand ich voller Begeisterung eine sehr niedliche, sehr winzige Abendhandtasche aus den Achtzigern, in die nur ein Geldschein, der Hausschlüssel und ein Lippenstift passt. Ich muss ein Faible für solche unpraktischen Taschen haben, von dem ich bis jetzt noch nichts wusste - beim Heimkommen fand ich in meinem Accessoirekorb, in den ich selten hineinschaue, drei weitere secondhand erstandene Minitaschen vor, deren Existenz ich komplett vergessen hatte. Zugegeben, keine so schön wie die neue. 



Auch für Textilliebhaberinnen bietet der Flohmarkt auf der Straße des 17. Junis so einiges. Es gibt mehrere Stände mit schönen alten Leinenservietten, Geschirrtüchern, gestickten Überhandtüchern und Decken, hier und da mal ein  Nähkästchen oder eine Nähmaschine, und vor allem gibt es (im rechten Gang vom S-Bahnhof Tiergarten aus) einen großen Knopf- und Kurzwarenstand. Ich habe da auch schöne alte Gürtelschnallen gesehen, Karten mit Perlmuttknöpfen, ein paar Garne und Borten, und selbst in den 1-Bund-1-Euro-Kisten liegen sehr brauchbare Jacken- und Mäntelknöpfe, immer fünf bis zehn zusammen aufgefädelt. Hätte ich nicht schon die Tasche gekauft, hätte ich hier noch ein paar Perlmuttknöpfe mitgenommen.

Jenseits des Charlottenburger Tors Richtung Ernst-Reuter-Platz schließt sich ein Kunsthandwerkmarkt an, den fand ich bei unserem Besuch nicht so interessant. Es gab viel "Kunsthandwerk", das zwar sicher auch das Werk kunstfertiger Hände war, aber eben von Händen in China oder Indien, aber auch das mag sich ändern.

Nach dem Schaufenstergucken bei Manufactum in der Hardenbergstraße kehrten wir noch auf Kaffee und Kuchen im Café Hardenberg ein, was mir einen kleinen Nostalgieanfall bescherte, denn in diesem Studentencafé scheint die Zeit seit zwanzig Jahren stehengeblieben. Das gilt für die Einrichtung, fürs Essen gilt das glücklicherweise nicht. Und so erwies sich ein Nachmittag mit typischem Touristenprogramm als ein rundum gelungener Ausflug.

Trödelmarkt an der Straße des 17. Juni
Samstag und Sonntag 10- 17.00 Uhr
Haltestelle Tiergarten (Stadtbahn)

19 Kommentare:

  1. OMG! *sabber* Da habe ich doch für Oktober ein schönes Ziel für meine beiden Arbeitsbesuche in Berlin. Vielen Dank für den Tipp!!!
    LG, Rike

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  2. Ich wäre schon bei dem Knopfstand arm geworden. *sabber*

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  3. Ich war da auch schon Jahrzehnte nicht mehr..... Dabie hatte diesen Flohmarkt stets als lohnend im Kopf- dank der guten Mischung aus professionellen Händlern und Gelegenheitsverkäufern ......danke für den Tipp.
    Und wo bleibt ein Foto deiner "Clutch"?
    LG

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    1. Wenigstens bin ich immer so schlau, winzige Taschen zu kaufen, die man umhängen kann und keine Clutches -trotzdem, mir ein Rätsel, wie und wann ich diese Täschchen jemals auftragen soll. Werde mich ab nächsten Montag immer mit kleiner Umhängetasche an den Schreibtisch setzen müssen!

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  4. Ach ja, ich erinnere mich gut an den Markt. Vor zwanzig Jahren habe ich für anderthalb Jahre in Berlin gewohnt und war sonntags gern auf diesem Flohmarkt unterwegs. Ich mochte diesen Markt damals auch gern.
    LG von Susanne

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  5. :) ich liebte diesen markt!!!! vorallem den "inoffiziellen" teil zwischen kunsthandwerker - und flohmarkt. da habe ich immer mal wieder tolle alte mangeltücher, bestickte leinendecken usw. ergattert. und die vinyl-ecke....hach..schmacht. jetzt habe ich für den rest des wochenendes unstillbares heimweh :(
    liebe grüße ins geliebt-gehasste, wunderbar und nervige dicke B!!!

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  6. Hallo, auf diesem Markt war ich auch schön länger nicht...beim letzten Mal hatte ich aber riesiges Glück:
    Suchte einen Porzellanklöppel für die WC-Spülung und fand ihn gleich am 1. Stand!. Schöne alte Geschirrtücher zum Besticken fand ich auch...werde aber wohl nicht sticken, mir gefielen sie nur vom Muster und Stoff. Positiv, dass es dort gar nicht so touristisch ist.
    Viele liebe Grüße
    schurrmurr

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  7. Liebe Lucy,
    mir geht es da genauso wie Dir mit den Sehenswürdigkeiten in Berlin. Man geht dort nur hin, wenn man Besuch hat und der die unbedingt sehen will. Den Flohmarkt am 17. habe ich aus den gleichen Gründen schon seit geraumer Zeit gemieden. Aber nun hast Du mich wieder angeregt, dort auch mal wieder stöbern zu gehen ;-) Vielen Dank! Das Café Hardenberg ist mir aus Studentenzeiten auch noch wohl vertraut und so alle 4 Jahre gehe ich dort aus nostalgischen Gründen mal einkehren. Ich bin immer erstaunt, dass sich dort einfach nichts verändert; gilt übrigens auch für das Schwarze Café in der Kantstr. ;-) Good old Berlin of the Nineties. Noch mal vielen Dank für die Tipps und schöne Grüße von Griselda K

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  8. Vielen Dank für den mal wieder tollen Blick-in-und-um-die-Stadt-Post. Die Einzigen, die noch schlimm-fauler in Bezug auf Touristen-Sachen sind, sind die, die in der Stadt geboren sind - so jedenfalls bei mir... Du erinnerst mich, dass ich da auch eigentlich schon längst mal wieder vorbeischauen wollte...
    Lieben Gruss Heike

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    1. Ja, geht mir auch so. Ich bin hier geboren, war aber z.B. noch nie auf dem Fernsehturm.

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  9. Auf dem Flohmarkt war ich bei meinem Berlin-Wochenende im Juli auch und fand ihn toll. Die Preise waren sehr angemessen, was ich vor allem von Flohmarkt-Preisen hier in Stuttgart nicht behaupten kann...
    Ich habe ein paar schöne alte Broschen gekauft und auch einiges gesehen, das mir gefallen hat, aber nicht Handgepäck-tauglich war, zum Beispiel tolle alte Schulposter mit biologischen Abbildungen und alte Landkarten.
    (Dafür war ich bitter enttäuscht vom überall besungenen Türkenmarkt, was die Stoffe angeht :P)

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    1. Ja, für den Türkenmarkt muss man wirklich in der richtigen Stimmung sein, der kann auch ganz gewaltig nerven - und diese Saison habe ich dort auch nicht wirklich viel gefunden.

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  10. Danke für den Tipp. Berlin ist fast eine halbe Weltreise von mir. Ich werd's mir aber aufschreiben. Man weiss nie, wann's mich mal dorthin verschlägt. Und da wäre ich (u.a. ohne Reiseführer) wohl aufgeschmissen und würde wohl eben genau das anschauen und besuchen, was kein Einheimischer tun würde... Aber jetzt hätte ich was Lohnenswertes zum Gucken.
    Lieber Gruss
    Milena

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  11. Ach ja. Du hast so recht. Ich war aus den selben Gründen schon ewig nicht mehr auf dem 17. Juni Flohmarkt. Aber das sollte ich vielleicht auch mal wieder überdenken. Vielen Dank für die Inspiration!

    diymarrus

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  12. da dies mein Hausmarkt ist, gehe ich bestimmt so viermal im Jahr hin und, ja, er ist so lohnend, wie Du ihn nicht in Erinnerung hattest;) diesen Samstag jedoch hatte er Konkurrenz und das unweit: am ersten Samstag im September gibt es die Antikmeile in der Suarezstrasse, und diese ist auche seeerh zu empfehlen. ich habe auch ganz allerliebste Schnaeppchen gemacht, apropos kleine Tasche. Wo ist den das Foto von Deiner Mezie?
    liebe Gruesse
    Stefanie

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    1. Nur am ersten Samstag im September? Das muss ich mir schon jetzt in den Kalender vom nächsten Jahr eintragen! Ein Taschenfoto liefere ich noch nach ;)

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    2. ja, immer nur am ersten Samstag im September.

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  13. hach ich war schon lange nicht mehr dort - ich finde ja auf jedem flohmarkt irgendetwas ....
    den am 17. juni habe ich lange nicht mehr besucht.
    an den kurzwarenstand kann ich mich sehr gut erinnern. schöne knöpfe für mein damaliges umstands-cape und eine gürtelschnalle für einen schönen gürtel habe ich da mal gekauft. danke fürs erinnern!!!

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  14. Wenn es in der TU-Mensa nix Gescheits zu essen gab, bin ich manchmal ins Café Hardenberg gegangen. Da war es immer lecker und bezahlbar. Nur der Rauch war schlimm, das dürfte sich ja jetzt auch geändert haben.

    Als ich noch in Charlottenburg wohnte, war ich bestimmt ein,mal im Monat auf dem Kunst- und Trödelmarkt, aber ich glaube, ich habe in all den Jahren nur dreimal etwas gekauft: ein Buch, eine Türklinke und einen Satz Löffel. Aber ich war immer gern dort, nur zu arm und diszipliniert, um Geld auszugeben.

    Danke für die Erinnerung!

    Liebe Grüße,
    Henriette

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