Dienstag, 23. September 2008

Eine kleine Eloge auf den Maybachmarkt

Schild Markt Maybachufer

Bis vor einem Jahr wohnte ich in einer Stadt, die beim Stoffkauf nur die Wahl zwischen teuer und sehr teuer ließ. Die Gleichung teuer=schön und hochwertig geht bei Stoffen leider längst nicht immer auf, jedenfalls nicht in meiner alten Stadt, und so saß ich immer wieder staunend am Rechner, wenn ich in Blogs oder im Hobbyschneiderinnen-Forum die Stofflager anderer Näherinnen entdeckte. Ich war ja schon froh, wenn ich wenigstens einen einzigen schönen Stoff fand.

Tja, nach einigen Besuchen auf dem Maybachmarkt bin ich nun selbst auf dem besten Weg zum Stofflager. Der Maybachmarkt ist eigentlich ein Wochenmarkt, der mittlerweile den Weg in die Berlin-Reiseführer gefunden hat. Im Sommer sieht man denn auch eine Menge Besucher, die bisweilen wie im Freilichtmuseum durch die Reihen streben, während die Marktschreier abwechselnd auf Deutsch und Türkisch ihre Angebote ausrufen. Es gibt Obst- und Gemüsestände, Blumen, Brot, süßes Gebäck, Gewürze, Fleisch, Fisch, Käse und Oliven, Haushaltswaren, Kleidung, Schuhe - und Stoffe.

Kommt man vom Kottbusser Damm, ist vorne im linken Gang zuerst ein Stand mit ungebleichten Baumwollstoffen unterschiedlicher Qualitäten von Schleiernessel bis Malerleinen, dann folgen einige Kurzwarenstände mit Reißverschlüssen, Garn, Schrägband, Bügeleinlagen, Knöpfen, Borten und Perlen. Die gut 25 Stoffstände wechseln sich in beiden Reihen mit den Lebensmittelständen ab - Gardinen- und Polsterstoffe, Baumwollstoffe, Jerseys, Jeans, Organza, Futterstoffe, Polyestersatin, zur Zeit winterliche Woll- und Strickstoffe, Fleece, Schottenkaro und Cord. Dazwischen Ananas - "nur ein' Euro!"-, Sesamringe, Schafskäse, französische Salami, Berge frischer Petersilie und Pfefferminze, gekochte Maiskolben, Hähnchenschenkel und Hülsenfrüchte. Die meisten Stoffe kosten zwei oder drei Euro der Meter, die neuen Winterstoffe zum Teil auch fünf, sechs oder gar acht Euro, das ist aber für den Maybachmarkt dann schon richtig teuer. Abgeschnitten wird meist großzügig.

KurzwarenstandWie man in dem Regal wohl etwas findet? Glücklicherweise gibt es noch zwei andere Reißverschlusstände

Anfangs war ich ja selber skeptisch, wollte eigentlich "nur mal gucken" und fasste die Stoffe vom Markt nur für Probeteile ins Auge, wenn mir die alten Laken ausgehen. Und natürlich gibt es auch viel Schrott - Polyesterscheußlichkeiten, Fehldrucke oder nicht durchgefärbten Cord (Vorderseite dunkelblau, Rückseite fast weiß). Einige Stoffe haben Fehlermarkierungen mit eingeknoteten Fäden oder Aufklebern an der Webkante, und manche Ballen sind am Rand derartig befranst, dass der Stoff dann wohl nur aus Fehlern besteht...

Mittlerweile habe ich schon gekauft, gewaschen und teilweise genäht und bin positiv überrascht. Klar, Wunder sollte man nicht erwarten, und so wenig wie man auf dem Flohmarkt zufällig einen Rembrandt findet, wird man wohl auf dem Maybachmarkt einen Mailänder Seidendruck ergattern. Den Versicherungen der Händler - "Alles reine Wolle!" - sollte man auch nicht unbedingt Glauben schenken, lieber ausgiebig Stoffe befühlen und dem eigenen Urteil vertrauen. Dennoch finde ich das Preis-Leistungsverhältnis unschlagbar und nach den Jahren mit teuren Stoffeinkaufsquellen ist es für mich sehr befreiend, einfach mal draufloszuschneidern. Dazu kommt noch der Jagdtrieb - jede Woche gibt es wieder etwas anderes, die "Schätze" muss man in dem Wust erstmal finden und dann zugreifen, denn beim nächsten Markt könnte der Stoff schon weg sein. Außerdem gönne ich mir nach erfolgreicher Jagd ganz dekadent noch einen Cappucino am äthiopischen Kaffeestand neben dem Bio-Bäcker.

Die beste Zeit für einen Jagdausflug ist übrigens gegen Mittag, ab etwa 14.00 Uhr wird es voll, ab 16.00 Uhr sehr voll, besonders an Freitagen. Ab 17.00 Uhr wird das Obst an vielen Ständen nur noch kistenweise abgegeben und die Händler räumen langsam zusammen. Die Stoffhändler packen ihre Reste wieder ein - wird ja nicht schlecht - aber wenn man an einem Stand zehn Meter Stoff oder so kauft, kann man auch schonmal feilschen.



Wochenmarkt Maybachufer
Maybachufer, Ecke Kottbusser Damm
Dienstag und Freitag ca. 11.30-18.00 Uhr
Haltestelle Schönleinstr. (U8)

Montag, 15. September 2008

Das Mantel-Projekt - große Pläne

Ich brauche einen Wintermantel. Gestern ist hier in Berlin recht unerwartet der Herbst hereingebrochen und ich habe mir am Nachmittag beim Tag des Offenen Denkmals in der Wisssenschaftsstadt Adlershof die Nase abgefroren. Und dabei etwas neidisch den langen Wollmantel einer Mitbesucherin betrachtet, während ich in meiner viel zu dünnen Jacke vor mich hinfröstelte.

Mein alter (gekaufter) Mantel zeigte ja schon im Februar gewisse Ermüdungserscheinungen und könnte außerdem ein neues Futter vertragen. Futter austauschen gehört zu meinen absolute Lieblingsarbeiten... Anstatt das Futter in Angriff zu nehmen, passenden Futterstoff hatte ich nämlich schon mal gekauft, habe ich am Wochenende lieber Schnitte gewälzt, so dass ich mich nun auf Stoffsuche begeben kann, denn vom Stoffangebot wird es letztlich abhängen, welcher Mantelschnitt das Rennen macht.

Schnittzeichnung Mantel A-LinieEinen dieser Mäntel aus Bouclé oder einfarbig...

Falls ich einen halbwegs erschwinglichen schönen Bouclé finden sollte, könnte ich mir zum Beispiel einen relativ schlichten, kurzen Mantel in A-Linie vorstellen, sowas wie Mantel 110 aus Burda 9/2005 oder 104 aus Burda 9/2007. Oder einen dieser Schnitte aus einem einfarbigen Wollflausch, dann aber mit den runden aufgesetzten Taschen vom Mantel aus Easy Fashion 08/09, dem aktuellen Heft.

... mit diesen Taschen

An den ballonförmigen Mantelschnitt, zu dem diese Taschen gehören, traue ich mich nicht recht heran - das könnte schlimmstenfalls wie ein Ei auf Beinen aussehen und ich finde es ist kein gutes Zeichen, dass der Mantel auf dem Titelfoto des Heftes mit einem Gürtel zusammengezurrt abgebildet wird.



Schnittzeichnungen Mäntel Redingote-SchnittDer Mantelschnitt links mit der Rückansicht vom Mantel rechts wäre ideal

Andererseits wäre ein längerer Mantel auch schön, zum Beispiel Mantel 101 aus Burda 9/2006 oder 111 aus Burda 10/2006. Der erste hat hinten in der Mitte eine schöne Kellerfalte, könnte je nach Stoff aber etwas zu sehr nach Militärmantel aussehen, bei dem zweiten gefallen mir die Taschenklappen und dass er zweireihig geknöpft wird. Also vielleicht eine Kombination aus beiden Schnitten? Und das ganze aus einer Art Tweedstoff?

Wir werden sehen. Damit überhaupt der Hauch einer Chance besteht, dass der Mantel vor Ende des Winters fertig wird, werde ich diesmal auf aufwendige Probeteile verzichten und dafür reichlich Stoff kaufen.

Montag, 8. September 2008

Kleine Flohmarktschätze

Knopfschachtel


















Eine Knopfschachtel vom Flohmarkt. Ein paar der Trachtenknöpfe sind zwar aus Plastik, aber einige schöne Einzelstücke sind auch darunter.

fünf Metallknöpfe













Da muss man ja die Kleidungsstücke um den Knopf herumplanen, oder? Besonders gut gefällt mir der Kugelknopf in der unteren Reihe in der Mitte, der ist sogar aus massivem Messing - zum Beispiel für eine Bluse wie die 122 aus Burda 1/2008, aber ohne diese Knopfleiste, sondern nur mit dem Messingknopf auf der Verschlussblende. Das ganze bitte aus dunkelviolettem Baumwollbatist (oder, falls jemand anderes die Handwäsche übernehmen würde, auch aus Seide. Ich bin ja nicht so.)

Freitag, 5. September 2008

Die Rock-Rettung

applizierte Rose

Wenn es so richtig warm ist (wie vor ein paar Wochen) habe ich meistens keine große Lust, an der Nähmaschine zu sitzen, sondern suche mir lieber kleine Handarbeiten, die sich auch auf den Balkon oder in den Park verlegen lassen. Dieser Rock ist der jetzt endlich tragbare Überrest eines Sommerkleid-Nähversuchs vom Frühjahr letzten Jahres, genauer gesagt der untere Teil des Kleids 113 aus Burda 5/ 2006 aka Das grüne Grauen.

Und das kam so: Meine Nähfreundin S., wie wir alle schon lange auf der Suche nach dem schönen Sommerkleid (sowas wie die Suche nach dem Heiligen Gral), schlug vor, das Kleid gemeinsam in der Nähgruppe zu nähen - also jeder seins, aus seinem eigenen Stoff.

Das Probemodell in Größe 38 passte im Prinzip uns allen vieren - aber irgendwie saß es bei jeder anders. Für D. waren die Schultern zu breit und der Rockansatz bildete auf der Rückseite eine Querfalte wegen Hohlkreuz. Für C. saß die Taille zu hoch. Bei mir war die Taille zu weit und die Teilungsnaht saß zu hoch. Nur bei S. passte der Schnitt ohne Änderungen perfekt. S. hat sich dann im Sommer 2007 auch tatsächlich zwei Kleider nach diesem Schnitt genäht, die ihr phantastisch stehen. Ich wurde mit dem Schnitt nicht glücklich. Das Kleid passte nach ein paar Änderungen zwar, aber der grün gestreifte Crashstoff, den ich ursprünglich ausgewählt hatte, weil man ihn nicht bügeln muss, ist ungeheuer labberig-formlos und sieht einfach immer nur verknittert aus. Zwar wusste schon Obelix, dass Längsstreifen schlank machen, letztlich erinnerte mich das Kleid aber an einen Chirurgenkittel (zu grün?) und landete auf dem "zieh ich nicht an"-Stapel im Schrank.

grüner Streifenrock

Diesen Sommer habe ich mit einem beherzten Schnitt das Kleid in der Taillenlinie durchgeschnitten, die obere Kante mit einem Band eingefasst und seitlich einen Reißverschluss eingearbeitet. Auf der Passe und am Saum habe ich Satinbänder aufgenäht, rosarote Vorstichlinien gestickt, eine Blüte aus Rosenstoff appliziert und für den Saum eine Borte aus naturfarbenem Baumwollgarn gehäkelt. Die Borte gibt dem fludderigen Stoff etwas Gewicht und war überraschend schnell an einem Abend gehäkelt. Häkeln ist noch dazu äußerst meditativ, wie ich wieder festgestellt habe.

Das Ergebnis ist höchst kitschverdächtig oder, wie mein Liebster sagte, nachdem er einen Lachanfall so weit überwunden hatte, dass er sich wieder klar artikulieren konnte, "ein Hippierock!". Der Leser ahnt, dass ich selten bunte Kleidung mit "was drauf" trage. Aber jetzt! Das abgeschnittene Kleidoberteil sieht so für sich auch ganz passabel aus, nur ist es im Moment bauchfrei. Einen kleinen Streifen von dem Stoff habe ich ja noch, und auch noch Häkelgarn...

Donnerstag, 28. August 2008

Mein fertiges Jäckchen

Jacke 118, Burda 2/2007

Vorgestern habe ich mein neues Jäckchen zum ersten Mal ausgeführt - Jäckchen kann man ja jetzt wieder ganz gut gebrauchen. Und im Herbst wird es mir mit einem dünnen Rollkragenpullover drunter sicher auch noch gute Dienste leisten.

Fazit zum Schnitt 118 aus Burda 2/ 2007:
Mit der Passform bin ich letztlich ganz zufrieden. Neben den Schulterpolstern (fürs nächste Mal merken: bitte nicht versuchen, den Sitz ohne zu beurteilen!) half die Verlängerung und Vertiefung der Rückenabnäher. Während der ganzen Anpasserei hatte ich als Vergleichsobjekt auch mal einen zuletzt selbst gekauften Blazer übergeworfen, der mir zum Zeitpunkt des Kaufs gut sitzend erschien. Tja, das sauteure Teil hatte genau die lockeren Falten unter den Achseln, die ich bei dieser Jacke erfolgreich eliminiert habe. Triumph! (Oder: "Das ist ja besser als wie gekauft", wie einige meiner Verwandten sagen würden.) Trotzdem, ganz ganz faltenlos ist der Rücken nicht, außerdem fehlt meiner Meinung nach an der vorderen Armkugel ein bißchen Rollweite. Der Schnitt ist für Stoffe konzipiert, die sich nicht oder nur wenig einbügeln lassen, die Mehrweite des Ärmels ließ sich auch gut verteilen, aber im Vorderteil hätte es gern noch etwas mehr Weite sein dürfen.

Taschenklappe rundDie Taschenklappen: jetzt halbrund, passend zum Kragen

Über das runde Revers hatte ich ja eine Weile gegrübelt - letztlich waren aber die Taschenklappen und die Knopfleiste mit dem spitzen Abschluss für mich das optische Problem: Ich finde das Nebeneinander von abgerundet und spitz auf einer Jackenvorderseite einfach unstimmig. Daher sind jetzt die Taschenklappen halbrund und die zusätzliche Knopfleiste habe ich weggelassen.

Die Jacke ist, wie im Schnitt vorgesehen, nicht gefüttert. Dank des ziemlich steifen Baumwoll-Satins mit Elasthan ist sie auch nicht zu labberig geworden. Aus einem fließenderen Stoff gäbe es auf der Rückseite sicherlich noch weniger Falten, dann müsste man aber füttern. Die Nahtzugaben habe ich mit Schrägstreifen aus Futterstoff eingefasst, also quasi ein Hong Kong finish. Das macht Arbeit, macht aber auch was her.

Hong-Kong-Verarbeitung im Inneren der Jacke

Freitag, 22. August 2008

Schulterpolster retten den Tag



Meine Schultern von vorn, hinten, seitlich, schräg, auf Fotos und im Spiegel - habe ich mir in den vergangenen Tagen gefühlte 250 Mal angeschaut. In der - immer noch nicht fertigen - Burdajacke Nr. 118, in der ich wirklich wirklich nur noch die Ärmel einnähen muss. Das ständige Schultern-Betrachten hat zu einer leichten Selbstentfremdung geführt: Sehen so Schultern aus? Genau das gleiche, das passiert, wenn man ein beliebiges Wort nur oft genug hintereinander hinschreibt und einem plötzlich auffällt, wie komisch, wie seltsam doch manche Wörter im Grunde gemacht sind.

Mit passenden - selbst gemachten - Schulterpolstern sitzt die Schulterpartie jetzt zufriedenstellend. Ein paar schräge Fältchen unter den Armen (je nach Haltung) bleiben wohl. Im Probeteil hatte ich die nicht, aber das war ja auch ein schmiegsames, weil müde gewaschenes altes Bettlaken und der richtige Stoff ist um einiges fester und steifer. Über den Sinn und Unsinn von Probeteilen muss ich überhaupt noch einmal nachdenken. Wenn der Probestoff in Dicke und Fall nicht genau dem Originalstoff enstspricht (und wann tut er das schon?) lassen sich Passformfeinheiten doch nicht so recht beurteilen. Ich habe da auch noch ungute Erinnerungen an ein Sommerkleid, das sich dann leider doch als Putzkittel entpuppte...